16. Sonn­tag im Jah­res­kreis (18.07.2021)

(Jer 23, 1–6; Eph 2, 13–18; Mk 6, 30–34)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
das The­ma des heu­ti­gen Sonn­ta­ges er­in­nert doch stark an den Gu­te-Hir­te-Sonn­tag in der Os­ter­zeit. Es geht um die Sehn­sucht der Men­schen nach ei­nem „Gu­ten Hir­ten“, es geht um die Er­fah­rung Got­tes und der Men­schen, dass die­se Sehn­sucht so oft ent­täuscht wird und un­er­füllt bleibt. Ge­ra­de auch in un­se­ren Ta­gen er­le­ben wir, wie sehr uns die­se Er­fah­rung mit den Men­schen al­ler Zei­ten ver­bin­det. Aber ist es bei al­ler be­rech­tig­ten Kri­tik so klar und ein­fach, sich sel­ber auf der rich­ti­gen und an­stän­di­gen Sei­te zu wäh­nen? Wir al­le le­ben in Be­zie­hun­gen, le­ben in Ver­ant­wort­lich­kei­ten, die Al­ter, Be­ruf, Äm­ter, Stel­lung in der Grup­pe etc. mit sich brin­gen. Das gilt vom Kind bis in das ho­he Al­ter. Wir al­le er­fah­ren Macht auf un­ter­schied­lichs­te Wei­se und wer­den sie wohl nicht im­mer nut­zen, um der Lie­be und der Ge­rech­tig­keit den Weg zu bah­nen. Das hat im Klei­nen frei­lich ei­ne an­de­re Wir­kung als im Gro­ßen.
Ich weiß nicht, ob ich mit gro­ßer Macht bes­ser da­mit um­ge­hen wür­de, als die Hir­ten die­ser Welt in Staa­ten und Re­li­gio­nen. Es gibt gu­te Hir­ten und Hir­tin­nen, die ih­re Macht zum Woh­le der Men­schen und Ge­schöp­fe ein­set­zen. Es gibt auch je­ne, die ih­re Macht für sich und ge­gen die ih­nen An­ver­trau­ten miss­brau­chen. Sie ge­hö­ren ab­ge­setzt.
Im Evan­ge­li­um stellt Je­sus fest, dass die Men­schen wie Scha­fe sind, die kei­nen Hir­ten ha­ben. Na­tür­lich hat­ten sie ge­nug Hir­ten, aber sie hat­ten of­fen­sicht­lich kei­ne, die sich wirk­lich um sie küm­mer­ten und sie lieb­ten. Und na­tür­lich soll Je­sus als „Gu­ter Hir­te“ dar­ge­stellt sein, der sich wirk­lich um die Sor­gen und Nö­te der Men­schen küm­mer­te, der sie nicht zu­grun­de rich­ten und zer­streu­en (Jer 23, 2), son­dern hei­len, um Gott sam­meln und ih­nen Mut ma­chen woll­te, Gott zu lie­ben und zu ver­trau­en. Er war und ist wirk­lich je­ner von Gott ge­sand­te Hir­te, der die Scha­fe, die an­geb­lich „schwar­zen“ al­le­mal, nicht vor al­lem das Fürch­ten lehr­te und nicht die Angst zum Fun­da­ment von Mo­ral und rech­tem Glau­ben mach­te. Er ging vor al­lem je­nen nach, die Ver­lo­re­ne wa­ren, sich als sol­che fühl­ten oder von „Aus­er­wähl­ten“ da­zu ge­macht wur­den, weil sie aus dem Rah­men und dem Sys­tem fie­len oder nicht in das Bild pass­ten, das sich Men­schen so ger­ne von an­de­ren, auch an­geb­lich im Na­men Got­tes, mach­ten.
War­um hat Je­sus, der Zim­mer­manns­sohn, die Men­schen so an­ge­zo­gen? Weil sie sich als Men­schen an­ge­nom­men, ge­liebt und wahr­ge­nom­men fühl­ten. Weil hier je­mand war, der an­ders von Gott sprach, von ei­nem Gott, der nicht zu­erst ge­fürch­tet, son­dern zu­erst ge­liebt wer­den woll­te. Von ei­nem Gott, der nicht Dog­ma­tik- und Mo­ral­bü­cher in die Mit­te stell­te, son­dern den kon­kre­ten, den so oft wi­der­sprüch­li­chen und ver­letz­ten, Men­schen.
Gott zieht nicht gna­den­los ei­nen Struk­tur­wan­del durch, der an den Men­schen vor­bei­geht, Gott ist nicht an sei­ner All­macht in­ter­es­siert, son­dern an sei­ner Lie­be, die sich lie­ber mit Ohn­macht als mit Miss­brauchs­macht ver­bin­det. Das spür­ten die Men­schen bei Je­sus, das mach­te sie schon hei­ler an Leib und See­le. Das ist der Geist, in dem je­der von uns, so gut er kann, in sei­nem Macht­be­reich, die Macht der Lie­be le­ben soll, so­zu­sa­gen als ein gu­ter Hirt, ei­ne gu­te Hir­tin, wie sich das Gott schon von Ewig­keit her ge­wünscht und er­hofft hat. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)