(Bar 5, 1–9; Phil 1, 4–6.8–11; Lk 3, 1–6)
Liebe Schwestern und Brüder,
ich weiß, dass so mancher keine rechte Lust auf Advent und schon gar nicht auf Weihnachten hat. Oft ist diese Zeit alles andere als besinnlich. Weihnachten erwarten dann alle das „Fest der Liebe“ und den weihnachtlichen Frieden, der sich manchmal so gar nicht einstellen will. Ich hab leider auch keinen richtigen Tipp, wie man das ändern kann. Aber vielleicht sollte man erst einmal so ehrlich, wie möglich, unterwegs sein. Und vielleicht findet man doch den Mut, Dinge zu ändern, die nur zur Last geworden sind.
Wenn wir die 1. Lesung und das Evangelium auf uns beziehen möchten, und das sollten wir immer, dann bedeutet „Umkehr“ ein Umdenken, das vor allem darin besteht, Prioritäten anders zu setzen. Während wir überlegen, was wir zu tun haben, damit Weihnachten Weihnachten werden kann, sehnt sich Gott danach, dass wir sehen und annehmen, was er für uns tut. Umkehr bedeutet nicht zuerst moralische und religiöse Klimmzüge zu machen, sondern bedeutet darauf zu hören, was und wie Gott für uns sein will. Er will unsere Freude, unser Leben, unsere Liebe, unseren Frieden, unser Vertrauen. Das ist immer wieder bedroht von der geheimnisvollen Dunkelheit in uns, die Angst und Misstrauen heißt. Wer Gott vor allem damit verbindet und verbinden lässt, der verletzt nicht nur das Herz Gottes, sondern geht freiwillig in die Verbannung unheilsamer Gottferne und eines friedlosen Daseins.
Eine Religion, die nicht Liebe und Vertrauen, sondern Angst und Misstrauen fördert, hat nicht nur selbst den Glauben verloren, sondern gehört abgeschafft.
Was für schöne Gottesworte werden uns heute durch Baruch und Johannes dem Täufer gesagt, der nicht zu dem gehört, was alt und überholt und bedrohlich ist, sondern der schon ein Zeichen des Neuen wird, das in Jesus ein wundervolles und liebevolles Gesicht und Herz bekommen hat. In diesen Texten geht es wirklich um jeden Einzelnen von uns, aber auch um uns als Gemeinschaft, die wir miteinander und füreinander unterwegs sind und uns in der Liebe und dem Vertrauen bestärken wollen.
Wie immer uns Advent oder Weihnachten gelingt oder misslingt: Gott ist einzig und allein an uns interessiert, an unserer Freude, an unserem Frieden, an unserer Liebe, an unserem Vertrauen trotz und in allem, ein Vertrauen, das vor allem ihn und seine Liebe zu uns meint.
Freuen wir uns doch darüber, dass Gott an uns denkt. Freuen wir uns doch darüber, dass er kommen will, egal, wie Advent oder Weihnachten gelingt oder nicht.
Gott will jeden von uns heimführen in Freude, vor allem zu sich selbst und zu jener Freiheit, die nicht mehr durch eigene oder fremde Erwartungen eingesperrt ist. Überall, wo uns Erbarmen und Gerechtigkeit begegnen, ist es ein Geschenk von ihm. Unser Lebensweg soll nicht schwerer sein, als er eh oft schon ist. Schluchten werden aufgefüllt, Berge und Hügel abgetragen, damit wir gut vorankommen. Alles, was im Leben möglicherweise krumm geworden ist, macht er gerade. Und niemand, lieber Paulus, muss „rein und ohne Tadel“ am Ende vor Gott stehen (Phil 1,10), weil das menschlich gar nicht möglich ist. Aber in Gottes Augen werden wir rein und ohne Tadel dastehen, weil wir doch seine geliebten Töchter und Söhne sind und bleiben. Und darauf sieht er und nicht auf das, was in unseren Augen oder in den Augen anderer Menschen nicht gelungen oder gar missraten scheint.
Das will Gott nicht nur für wenige Auserwählte, sondern für alle Menschen, die doch alle auf so ganz verschiedenen Wegen seine Kinder sind. Denn am Ende soll und wird der letzte Satz des heutigen Evangeliums stehen: „Alle Menschen werden das Heil Gottes schauen!“ (Lk 3, 6) Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)