2. Fas­ten­sonn­tag im Le­se­jahr B (28.02.2021)

(Gen 22, 1–19; Röm 8, 31b-34; Mk 9, 2–10)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
man mag es dre­hen und wen­den, wie man will, die Ge­schich­te der Er­pro­bung Abra­hams hin­ter­lässt in mei­nem Her­zen kei­nen gu­ten Ge­schmack. Es mag ja sein, dass am En­de ge­sagt sein soll, dass Gott kei­ne Kin­der­op­fer will, dass Gott den Glau­ben und Ge­hor­sam Abra­hams tes­ten woll­te. Aber ich fra­ge mich, ob Gott sol­che Me­tho­den an­wen­den darf und sie nö­tig hat. Ich fra­ge mich auch, war­um Abra­ham sich nicht ge­gen ein sol­ches An­sin­nen Got­tes von vorn­her­ein ge­wehrt hat? Na­tür­lich weiß ich, dass das kei­ne his­to­ri­sche Ge­schich­te ist und dass man die Aus­sa­ge­ab­sicht des Tex­tes be­ach­ten muss. Aber so, wie die Ge­schich­te da in der Bi­bel steht, ist sie ge­ra­de­zu ei­ne Zu­mu­tung. Mir ist auch klar, dass ich kein Recht ha­be, über die­se Ge­schich­te die Na­se zu rümp­fen, da doch ge­ra­de Kin­der auch in un­se­rer Welt Op­fer von Krie­gen, von Miss­brauch jeg­li­cher Art, von Hun­ger und ge­walt­sa­men Aus­ein­an­der­set­zun­gen Er­wach­se­ner wer­den. Über das stil­le Ster­ben so vie­ler Kin­der in un­se­rer Welt hält sich die all­ge­mei­ne Ent­rüs­tung doch ziem­lich in Gren­zen. Und dass ich durch mein Kon­sum­ver­hal­ten ei­ne Mit­ver­ant­wor­tung für das Wohl und We­he von Kin­dern in är­me­ren Län­dern ha­be, das mag ich gar nicht so ger­ne zur Kennt­nis neh­men.
Müt­ter und Vä­ter kön­nen ein Lied da­von sin­gen, wie schwer es sein kann, Kin­der in das ei­gen­ver­ant­wort­li­che Le­ben her­zu­ge­ben, los- und frei­zu­las­sen. Al­so be­schreibt die­se Ge­schich­te von Abra­hams Pro­be doch durch­aus Er­fah­run­gen, die uns wahr­lich nicht fremd sind. Viel­leicht emp­fin­den wir ja auch so man­che Din­ge im Le­ben wie ei­ne Zu­mu­tung, die uns an Got­tes Lie­be und Wohl­wol­len zwei­feln las­sen. Viel­leicht „wuss­te“ Abra­ham ins­ge­heim ja, dass Gott so et­was nie­mals im Ernst ver­lan­gen wird und ver­trau­te eben zu­tiefst, ob­wohl die Fak­ten da­ge­gen spra­chen. Abra­ham ist wirk­lich der „Va­ter des Ver­trau­ens“, das wir so oft mehr er­seh­nen als ha­ben, ei­nes Ver­trau­ens, das oh­ne Ver­si­che­rung aus­kommt.
Aber, so könn­ten wir wei­ter fra­gen, war­um hat Gott dann ein sol­ches Op­fer von sei­nem Sohn ver­langt? Hat er das? Je­den­falls steht das so nir­gend­wo im Zwei­ten Tes­ta­ment. Der Tod Je­su hat mit Abra­hams Ge­schich­te ei­gent­lich we­nig zu tun. War­um? Weil Gott Je­sus nicht op­fert, son­dern Je­sus sei­ne und die Lie­be sei­nes Va­ters bis zum Äu­ßers­ten fest­hal­ten und be­zeu­gen woll­te. Das Kreuz ist kein Op­fer, son­dern das Zeug­nis ei­ner ver­rück­ten Lie­be, die ent­schie­de­ner und wah­rer nicht sein kann. Die­ses Zeug­nis ver­langt Gott nur von sich selbst. Aber es gibt Men­schen, die es auch bis zur letz­ten Kon­se­quenz ge­ge­ben ha­ben und ge­ben. Und das sind nicht zu­erst die Mär­ty­rer des Glau­bens, son­dern die Hel­den all­täg­lich ge­leb­ter Lie­be.
Mo­se und Eli­ja ste­hen in der der sog. „Ver­klä­rungs­ge­schich­te“ für die­se lie­be­vol­le Got­tes­er­fah­rung. Mo­se steht eben nicht zu­erst für das Ge­setz, son­dern für die Got­tes­er­fah­rung des bren­nen­den Dorn­bu­sches, in der Gott als der „Ich bin da“ of­fen­bar wur­de. Und Eli­ja steht eben nicht zu­erst für die Pro­phe­ten, die an­geb­lich das Ge­setz ein­ge­schärft ha­ben, son­dern auch für ei­ne wun­der­vol­le Got­tes­er­fah­rung. Eli­ja be­zeugt näm­lich am Berg Horeb, dass Got­tes „Ich bin da“ ei­ne zar­te, sanf­te und lei­se ge­gen­wär­ti­ge Lie­be ist. Das al­les ver­dich­tet sich in Je­sus. Dar­um legt uns die „Stim­me aus der Wol­ke“ im­mer wie­der neu ans Herz: „Die­ser ist mein ge­lieb­ter Sohn; auf ihn sollt ihr hö­ren!“ (Mk 9, 7)
Das wol­len wir tun, nicht nur um un­se­ret­wil­len, son­dern auch um Got­tes wil­len. Denn er sehnt sich nach un­se­rem Ver­trau­en, un­se­rer Lie­be, vor al­lem da, wo uns das Le­ben manch­mal schwer an­kommt und so schmerz­lich un­be­greif­lich er­scheint. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)