(Weis 2, 1a.12.17–20; Jak 3, 16- 4,3; Mk 9, 30–37)
Liebe Schwestern und Brüder,
ist es eigentlich schlimm, ein Bedürfnis nach Größe zu haben? Ist es schlimm, Sehnsucht danach zu haben, gesehen und geachtet zu werden? Nein, das ist es nicht, das ist sehr menschlich und ein Bedürfnis, das ein Recht hat, befriedet zu werden. Wenn man so will, ist es dann schlimm, wenn es auf Kosten anderer geht, wenn man dieses Bedürfnis nur stillen kann, indem man andere erniedrigt, sie klein macht und spüren lässt, wie unbedeutend sie sind. Genau diese Haltung ist der Kritikpunkt Jesu, auch der Gottes, zu allen Zeiten.
Wir müssen nach Wegen suchen, auf denen wir zuerst in uns selbst Frieden und Ruhe finden und nicht dadurch, dass wir Menschen und Realitäten so zurechtbiegen, dass wir dann zufrieden sind. Was mit dem Frieden der anderen ist, interessiert uns dann nicht.
Ja, gegen Ende seines Lebens hat Jesus geahnt, dass sein Leben kein gutes irdisches Ende nehmen wird, u.a. auch deswegen, weil er die Liebe und Barmherzigkeit über alles gestellt hat, weil er das Geheimnis Gottes von einem Gottesbild befreit hat, das nur zur besseren Moral dient. Er hatte so gar keine Herrscherallüren und machte sich nichts aus jenen, die darauf großen Wert legten. Er fürchtete sich nicht vor denen, die ihre Größe und Macht mit allen Mitteln verteidigten. Er verteidigte statt dessen die, die kleingemacht wurden und gab ihnen Würde, Ansehen und eine Größe, die vor allem ein liebevolles Herz erzeugt. Dass man der „Diener aller“ sein will, kann man auf den Bischofsstab schreiben, es zu leben, wirklich, innerlich wie äußerlich, ist sehr schwer. Es sei denn, man hat das Sakrament des Kindes verstanden, das Jesus in die Mitte stellt. Auch als Ausgewachsener bleiben wir bedürftige Wesen, wie alle auf dieser Welt, die auf Liebe und Wertschätzung angewiesen sind, die uns in einer Weise als „groß“ fühlen lassen, wie es nur eine Haltung der Liebe vermag. „Ein solches Kind in seinem Namen aufzunehmen“, bedeutet nicht, Kinderheime zu gründen, sondern zu dieser bleibenden, existentiellen Bedürftigkeit zu stehen. Irgendwie leben wir immer so, als gäbe es die für uns nicht. Ihre Annahme aber bewirkt eine demütige Haltung, die diesen Namen verdient und uns mehr miteinander, mit Gott und unseren Mitgeschöpfen verbindet, als alle demonstrierte und mit allen Mitteln festgehaltene Größe und Macht.
Man könnte nun fragen, was uns das eigentlich bringt? Es bringt uns innere Freiheit, innere Ruhe und inneren Frieden. Ja, das ist so leicht gesagt, es gibt auch keine Methode, die das schnell herbeizaubert. Aber wir können Gott unsere Sehnsucht danach hinhalten, mit der Bitte um Verwandlung in unserem tiefsten Wesen. Dann muss uns der heilige Jakobus auch nicht mehr solch‘ einen Brief schreiben, wie heute als 2. Lesung. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)