26. Sonn­tag im Jah­res­kreis B (29.09.2024)

(Num 11; Jak 5, 1–6; Mk 9, 38–48)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
die ers­te Le­sung aus dem Buch Nú­me­ri ist ein Pa­ra­de­bei­spiel da­für, wie man Le­sungs­tex­te ein­fach nicht zu­sam­men­kür­zen darf. Frei­lich wä­re das gan­ze Ka­pi­tel 11 für ei­nen Le­sungs­text am Sonn­tag viel zu lang. Und letzt­lich geht es wohl auch nur um die Ver­se 28 und 29, die ei­nen Be­zug zum Evan­ge­li­um her­stel­len kön­nen. Aber der Sinn des 11. Ka­pi­tels des Bu­ches Nú­me­ri ist doch ein ganz an­de­rer. Der wird aber völ­lig ent­stellt, wenn man die Ver­se 1–24 ein­fach weg­lässt. Da steht näm­lich dann, war­um der Herr vom Geist des Mo­se et­was nahm, um ihn auf 70 Äl­tes­te zu le­gen. Man kann sonst gar nicht ver­ste­hen, war­um er das tut.
Die Ver­se 1–24 er­zäh­len näm­lich, wie das Volk ge­gen Gott und Mo­se auf­stan­den und sich über die­se und ihr Schick­sal be­schwer­ten. Be­mer­kens­wert ist, dass Mo­se Für­bit­te beim Herrn für sie ein­leg­te und sie nicht ein­fach dem Zorn Got­tes über­lässt, der ein Feu­er ge­schickt hat­te. Sich für Men­schen, die ei­nem an­ver­traut sind, ein­zu­set­zen, auch wenn sie Mist ver­bockt ha­ben, ist ein Kenn­zei­chen ei­nes gu­ten Hir­ten.
Ich ver­ste­he auch den Auf­ruhr der Leu­te, wenn schein­bar eben al­les mal den Bach run­ter zu ge­hen scheint. Das ist doch auch ver­ständ­lich und soll­te zur Kennt­nis ge­nom­men wer­den, an­statt nur auf die Leu­te zu schimp­fen.
Schluss­end­lich be­schwert sich so­gar Mo­se über Gott, weil der ihm die Last sei­nes Vol­kes auf­er­legt hat. Frei­mü­tig be­kennt er: „Ich kann die­ses gan­ze Volk nicht al­lein tra­gen, es ist mir zu schwer“ (V14). Gott nimmt die Be­schwer­de des Mo­se ernst, oh­ne ihm zu zür­nen. Er schlägt dann vor, was in der of­fi­zi­el­len Le­sung des Lek­tio­nars von heu­te ge­schil­dert wird. Es geht um Geist­tei­lung. Gott nimmt vom Geist des Mo­se und legt sie auf die 70 Äl­tes­ten. Die­ser er­staun­li­che Vor­gang im 1. Tes­ta­ment lässt uns an Pfings­ten den­ken, wo der Geist Got­tes auf al­le her­ab­kam.
Wenn man so will, ver­dan­ken wir der Kri­se des Mo­se und des Vol­kes, dass Gott den Geist so­zu­sa­gen „de­mo­kra­ti­siert“. Es kann und darf sich nicht nur ei­ner hin­stel­len und be­haup­ten, er al­lein hät­te den Geist und die an­de­ren nicht. Nein, es geht im­mer um ge­mein­sam ge­teil­ten Geist, um Team­geist, oh­ne den kei­ne Ge­mein­schaft ei­ne Zu­kunft hat.
Zu­recht ruft Mo­se am En­de aus: „Wenn nur das gan­ze Volk des Herrn (und nicht nur die 70, An­mer­kung) zu Pro­phe­ten wür­den, wenn nur der Herr sei­nen Geist auf sie al­le legte!“(V 29). Das hat sich ja zu Pfings­ten er­eig­net, das er­eig­net sich in je­der Tau­fe, ja, das er­eig­net sich und wird sicht­bar und spür­bar in je­der Lie­be, die die­sen Na­men ver­dient. Dar­um soll­te schon die Fra­ge er­laubt sein, war­um nur zö­li­ba­t­ä­re Pries­ter Pfarr­ge­mein­den lei­ten dür­fen, wenn al­le Geist­emp­fän­ger und Geist­be­gab­te sind?!
War­um löst man le­ben­di­ge Pfarr­ge­mein­den auf, nur weil es im­mer we­ni­ger Pries­ter gibt? War­um neh­men wir die Hei­li­ge Schrift nicht erns­ter und kür­zen sie so, dass sie zu un­se­rer lieb­ge­wor­de­nen, ver­kürz­ten Sicht des Le­bens passt? Es wä­re schön, wenn uns bi­bli­sche Tex­te mehr für neue, al­te We­ge auf­bre­chen wür­den, als sie nur zur Be­stä­ti­gung des Sta­tus Quo zu miss­brau­chen.
Ich bin über­zeugt da­von, dass es auch heu­te mehr Geist­li­che gibt, als es Geist­li­che gibt. Mö­ge uns doch der Geist Got­tes er­mu­ti­gen und auf­bre­chen, ihn we­hen zu las­sen, wo und wie er will. Dann sä­he Man­ches viel­leicht viel fro­her und hoff­nungs­vol­ler aus.
Auch die Kir­chen ha­ben nur Zu­kunft, wenn sie ver­ste­hen und ler­nen, was wirk­lich ge­teil­ter und al­len ge­schenk­ter Geist ist. Und das hat uns schon Mo­se bzw. Gott im 1. Tes­ta­ment vor­bild­lich vor­ge­macht, nicht nur an die­ser Stel­le. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)