(Hab 1,2–3;2,2–4; 2 Tim 1,6–8.13–14; Lk 17, 5–10)
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn also die Apostel im Evangelium heute bitten: „Stärke unseren Glauben“ (Lk 17,5), dann haben sie offensichtlich das Gefühl, dass da noch Platz nach oben ist. Wenn wir den Glauben, der hier gemeint ist, nicht mit Katechismuswissen verwechseln, dann ist es keine Schande, um Stärkung des Glaubens zu bitten. Ein nicht angefochtener Glaube fühlt sich sicherlich leicht an, ebenso ein Glaube, der sich auf feste und unumstößliche Glaubenssätze reduziert. Aber ein biblischer Glaube ist er nicht.
Was der Prophet Habakuk, der im 7. Jahrhundert vor Christus lebte, in der 1. Lesung beklagt, ist bis heute für viele eine harte Glaubensprüfung. Da gibt es Gewalt, Machtmissbrauch, Misshandlung und Unterdrückung. Man betet dagegen an, hält innige Fürbittgottesdienste – und es passiert nichts. Das kann schon zu einer argen Glaubens- und Gotteskrise werden. „Ich schreie zu dir: Hilfe, Gewalt! Aber du hilfst nicht…warum siehst du zu und tust nichts?“ (Hab 1, 2–3), so betet verzweifelt Habakuk. Natürlich wird es viele geben, die das Problem gut wegerklären können. Bei Habakuk ist es sogar Gott selber, der das versucht. Aber dieser Versuch ist mehr als enttäuschend, wenn man auf eine zukünftige Wende vertröstet wird. Für wie viele kam diese Wende leider zu spät! Klar bleibt mir nichts anderes übrig, als auf eine Wende zu hoffen und zu warten. Aber jeder von uns ist trotzdem in seinen Lebensbereichen aufgerufen, ein gewaltfreieres Miteinander zu suchen und alles menschenmögliche zu tun, um jegliche Gewalt, Unterdrückung und Misshandlung zu beenden. Gott selber wird dies sicher alles mit seinem Geist unterstützen, wenn wir z.B. an die Botschaft des Exodus denken, an die Botschaft der Propheten, bis hin zur Praxis und Verkündigung Jesu.
Aber es bleibt trotzdem ein mulmiges Gefühl, wenn Gewalt und Unterdrückung kein Ende nehmen wollen, vor allem auch in der eigenen Glaubensgemeinschaft nicht.
Wir werden viele Fragen nicht beantworten können. Wir werden immer wieder innerlich geradezu bluten und noch manche Tränen vergießen. Aber vielleicht ist der Rat der dem hl. Ignatius von Loyola (16. Jhd.) zugeschrieben wird, ganz hilfreich: „Bete, als hinge alles von Gott ab. Handle, als hinge alles von dir ab.“ Oder hören wir, was der hl. Paulus heute an Timotheus schreibt: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2 Tim 1,7). Ja, ist nicht letztlich alles, was wir zum Glauben, Hoffen und Lieben brauchen, Sein Geschenk? Der geprüfte Glaube ist keine Eigenleistung, er trägt, weil er geschenkt ist und weil sich darin ereignet, was der hebräische Name „Habakuk“ bedeutet: „Umarmung“.
Mögen wir uns alle, in Freud, wie in Leid, in quälenden Fragen, wie in geschenkten, befreienden Antworten von Gott umarmt wissen und erfahren. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)