27. Sonn­tag im Jah­res­kreis C (02.10.2022)

(Hab 1,2–3;2,2–4; 2 Tim 1,6–8.13–14; Lk 17, 5–10)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
wenn al­so die Apos­tel im Evan­ge­li­um heu­te bit­ten: „Stär­ke un­se­ren Glau­ben“ (Lk 17,5), dann ha­ben sie of­fen­sicht­lich das Ge­fühl, dass da noch Platz nach oben ist. Wenn wir den Glau­ben, der hier ge­meint ist, nicht mit Ka­te­chis­mus­wis­sen ver­wech­seln, dann ist es kei­ne Schan­de, um Stär­kung des Glau­bens zu bit­ten. Ein nicht an­ge­foch­te­ner Glau­be fühlt sich si­cher­lich leicht an, eben­so ein Glau­be, der sich auf fes­te und un­um­stöß­li­che Glau­bens­sät­ze re­du­ziert. Aber ein bi­bli­scher Glau­be ist er nicht.
Was der Pro­phet Ha­ba­kuk, der im 7. Jahr­hun­dert vor Chris­tus leb­te, in der 1. Le­sung be­klagt, ist bis heu­te für vie­le ei­ne har­te Glau­bens­prü­fung. Da gibt es Ge­walt, Macht­miss­brauch, Miss­hand­lung und Un­ter­drü­ckung. Man be­tet da­ge­gen an, hält in­ni­ge Für­bitt­got­tes­diens­te – und es pas­siert nichts. Das kann schon zu ei­ner ar­gen Glau­bens- und Got­tes­kri­se wer­den. „Ich schreie zu dir: Hil­fe, Ge­walt! Aber du hilfst nicht…warum siehst du zu und tust nichts?“ (Hab 1, 2–3), so be­tet ver­zwei­felt Ha­ba­kuk. Na­tür­lich wird es vie­le ge­ben, die das Pro­blem gut weg­er­klä­ren kön­nen. Bei Ha­ba­kuk ist es so­gar Gott sel­ber, der das ver­sucht. Aber die­ser Ver­such ist mehr als ent­täu­schend, wenn man auf ei­ne zu­künf­ti­ge Wen­de ver­trös­tet wird. Für wie vie­le kam die­se Wen­de lei­der zu spät! Klar bleibt mir nichts an­de­res üb­rig, als auf ei­ne Wen­de zu hof­fen und zu war­ten. Aber je­der von uns ist trotz­dem in sei­nen Le­bens­be­rei­chen auf­ge­ru­fen, ein ge­walt­freie­res Mit­ein­an­der zu su­chen und al­les men­schen­mög­li­che zu tun, um jeg­li­che Ge­walt, Un­ter­drü­ckung und Miss­hand­lung zu be­en­den. Gott sel­ber wird dies si­cher al­les mit sei­nem Geist un­ter­stüt­zen, wenn wir z.B. an die Bot­schaft des Ex­odus den­ken, an die Bot­schaft der Pro­phe­ten, bis hin zur Pra­xis und Ver­kün­di­gung Je­su.
Aber es bleibt trotz­dem ein mul­mi­ges Ge­fühl, wenn Ge­walt und Un­ter­drü­ckung kein En­de neh­men wol­len, vor al­lem auch in der ei­ge­nen Glau­bens­ge­mein­schaft nicht.
Wir wer­den vie­le Fra­gen nicht be­ant­wor­ten kön­nen. Wir wer­den im­mer wie­der in­ner­lich ge­ra­de­zu blu­ten und noch man­che Trä­nen ver­gie­ßen. Aber viel­leicht ist der Rat der dem hl. Igna­ti­us von Lo­yo­la (16. Jhd.) zu­ge­schrie­ben wird, ganz hilf­reich: „Be­te, als hin­ge al­les von Gott ab. Hand­le, als hin­ge al­les von dir ab.“ Oder hö­ren wir, was der hl. Pau­lus heu­te an Ti­mo­theus schreibt: „Gott hat uns nicht ei­nen Geist der Ver­zagt­heit ge­ge­ben, son­dern den Geist der Kraft, der Lie­be und der Be­son­nen­heit“ (2 Tim 1,7). Ja, ist nicht letzt­lich al­les, was wir zum Glau­ben, Hof­fen und Lie­ben brau­chen, Sein Ge­schenk? Der ge­prüf­te Glau­be ist kei­ne Ei­gen­leis­tung, er trägt, weil er ge­schenkt ist und weil sich dar­in er­eig­net, was der he­bräi­sche Na­me „Ha­ba­kuk“ be­deu­tet: „Um­ar­mung“.
Mö­gen wir uns al­le, in Freud, wie in Leid, in quä­len­den Fra­gen, wie in ge­schenk­ten, be­frei­en­den Ant­wor­ten von Gott um­armt wis­sen und er­fah­ren. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)