(Jes 49, 8–11.13–16; Offb 5, 11–14; Joh 21, 1–19)
Liebe Schwestern und Brüder,
die 2. Lesung in der Osterzeit ist immer aus dem Buch der Offenbarung des Johannes. Dieses Buch ist nicht unbedingt mein Lieblingsbuch. Aber es enthält schöne Texte, die in die Zukunft weisen.
Wenn man so will, ist der heutige Textabschnitt so etwas wie ein Widerstandslied. Es stellt klar, wem Ehre und Anbetung gebührt: nicht dem Kaiser Domitian, der sich als „Dominus et Deus“, als „Herr und Gott“, verehren ließ, sondern ein geschlachtetes Lamm, das natürlich den getöteten und auferweckten Jesus meinte. Über ein Lamm auf dem Thron konnte ein menschlicher „Dominus et Deus“ nur lachen und sich nicht bedroht fühlen. Aber für viele Christen des 1. Jahrhunderts war es eine tröstliche Botschaft.
Nun könnte man meinen, das alles ist lange her und hat mit uns rein gar nichts mehr zu tun. Aber dem ist natürlich nicht so. Auch in unserer Zeit, und vermutlich zu allen Zeiten, gibt es Menschen und Dinge, die uns einreden wollen, dass sie „Dominus et Deus“ sind. Sie machen uns unfrei und rauben alle Lebenskraft und ‑freude. Sich an das Lamm Jesus zu halten, bedeutet, sich auch eine gewisse innere Freiheit zu bewahren, die verhindert, dass wir Sklaven von Menschen oder anderen Dingen werden. Das ist dann ebenso wie Ostern, das nicht nur das ewige, sondern auch das irdische Leben meint.
Ein österlicher Mensch zu sein, heißt dann auch, ein freierer Mensch zu sein. Aber wenn wir heute den Text aus der Offenbarung aufmerksam lesen bzw. hören, dann betrifft Ostern nicht nur uns Menschen und unsere Hoffnungen, sondern die gesamte Schöpfung. Denn auch „alle Geschöpfe im Himmel und auf der Erde, unter der Erde und auf dem Meer, alles, was darin ist“ (Offb 5,13) bekennen, dass es nur einen gibt, der „Dominus et Deus“ ist, und das ist eben das Lamm, Symbol auch für Jesu Lebenseinstellung, die lieber dienen als herrschen wollte.
Wer also österlich befreit ist von toxischen und tödlichen „Dominus et Deus“ in dieser Welt, kann nicht anders, als liebevoller in dieser Welt zu leben und mit allen Mitgeschöpfen und der Mutter Erde umzugehen. Dann kann der Ackerboden jubeln, weil er anständig behandelt wird, dann atmen die Urwälder auf, die nicht aus Profitsucht abgeholzt werden. Flüsse werden nicht verschmutzt und es gibt kein massenhaftes Fischsterben mehr. Die Insekten kehren zurück, die Luft wird wieder klarer und für alles, was atmet, gerettet. Die Wale werden nicht mehr bedroht und nichts wird nur unter dem Blickwinkel betrachtet, was es nützt und für Profit bringt.
In den Kirchen redet man nicht mehr nur von Synodalität, sondern lebt sie alltäglich. Keiner behauptet mehr, er hätte mehr Heiligen Geist als die anderen. Die Fußwaschung wird nicht mehr nur medienwirksam gespielt, sondern wirklich erfahrbar für Frauen, Kinder, sog. „Zöllner und Sünder“, für Gottsucher und alle Menschen guten Willens. Man streitet nicht mehr darum, wer recht hat und die bessere Religion, sondern stimmt ein in ein gemeinsames „Amen“, so sei es, womit wirklich das letzte und liebevolle Geheimnis „Gott, oder anders genannt, gemeint ist.
Denn Ostern will nicht nur auf eine tolle Zukunft vertrösten und hoffen lassen, sondern stellt einem jeden von uns, und nicht nur Petrus im Evangelium, die Frage: „liebst du mich?“
Und die Antwort darauf sollte vor allem praktisch sein und ein Zeichen dafür, wer oder was für uns „Dominus et Deus“ ist. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)