(Sir 35, 15b-17.20–22a; 2 Tim 4, 6–8.16–18; Lk 18, 9–14)
Liebe Schwestern und Brüder,
ich weiß auch nicht warum, aber bei dem Wort „Mission“ habe ich immer so ein komisches Gefühl, besonders wenn es sich mit dem Wort “Welt” verbindet. Da fällt mir immer gleich die Notwendigkeit der Bekehrung von Menschen ein, die ohne Taufe keine Chance auf das ewige Leben haben. Da geht es eher um Angst als um Liebe, die sich ja ohnehin vor dem Ende in dieser Welt konkretisieren sollte.
Die Lesungstexte des heutigen Sonntags zielen genau in diese Richtung. Denn Gott war und ist immer jemand, die eine Mission für die Menschen auf Erden hat, und diese Mission heißt: Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Liebe. Gott geht und ging es nie zuerst darum, dass Menschen recht fromm sein mögen, rechtgläubig und auserwählt.
Gerecht ist man nicht, indem man streng religiös daherkommt. Gerecht ist man, wenn man vor allem ein Mensch ist, mit Herz. Gerecht ist man auch nicht, wenn man sich einbildet, gerecht zu sein, wie der Pharisäer im Evangelium. Allerdings muss man da auch sagen, dass man diese Haltung nicht “pharisäisch”, sondern “menschlich” nennen müsste. Die Pharisäer waren ja eine reine Laienbewegung, die statt auf bloßen Kult und Tempel allein auf einen gottgefälliges Leben jedes einzelnen setzte. Insofern waren sie auch Jesus durchaus sympathisch und nicht automatisch seine Gegner. Leider ist bis heute das Wort “Pharisäer” negativ belastet und bezeichnet eine Haltung, die man freilich überall und in jedem Stande finden kann. Besonders jene Menschen, die sich besonders fromm dünken, neigen ja oft dazu, das zu denken und zu leben, was der Pharisäer im Evangelium sagt, wenn er betet: “Gott ich danke dir dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher, Zöllner” und so weiter und so fort.
Es kann ja durchaus sein, dass man auf hohen, moralischen Niveau lebt. Wenn dabei aber das Herz hart und unbarmherzig wird, ist das vor Gott schlicht für die Katz. Genau das war die Mission der Propheten im ersten Testament, das war die Mission Jesu und aller Gottesfreunde, dass sich Menschen nicht überheblich voneinander abgrenzen, dass sie sich nicht in ihrem Wohlstand gegen jene einschlössen, die nicht einmal das Nötigste zum Leben haben.
Am Sonntag der Weltmission erinnern wir uns genau an diese Mission, die uns Gott immer Tag für Tag ans Herz legt. Auch, wenn wir heute besonders auf Myanmar schauen, so sollten wir nicht hier wegschauen, wo gerade in diesem Augenblick unsere Menschlichkeit und unser Herz gebraucht werden.
“Evangelisierung” heißt nicht zuerst, Menschen für die Kirche zu gewinnen, sondern aus dem Geist des Evangeliums zu leben. Es heißt weiterhin, Menschen nicht gegeneinander aufzubringen, sondern füreinander.
Es heißt immer, so viel Himmel wie möglich auf Erden zu schaffen, bevor uns Gott den endgültigen Himmel schenkt. Das war auch die Mission Jesu und dieser Mission können wir uns doch ohne Angst anschließen und uns verbünden mit allen Menschen guten Willens. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)
