4. Sonn­tag der Os­ter­zeit A (30.04.2023)

(Ps 23, Joh 10, 1–10)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
ver­mut­lich ist der Psalm 23 ei­ner der be­rühm­tes­ten und be­kann­tes­ten Psal­men und hat schon vie­len, un­zäh­li­gen Men­schen Trost, Kraft und Zu­ver­sicht ge­schenkt. Schon der ers­te Satz ist ei­gent­lich ein Grund­cre­do der Bi­bel, wenn es da heißt: „Der Herr ist mein Hirt!“ Es mag ja vie­le Hir­ten ge­ben, die so­gar im Na­men Got­tes Hir­ten sein wol­len und dür­fen. Aber nie­mals sind und dür­fen sie die Stel­le des wich­tigs­ten Hir­ten ein­neh­men, der Gott sel­ber ist. Und nie­mals dür­fen sie sich aus der de­mü­ti­gen Er­kennt­nis her­aus­schlei­chen, dass sie im­mer weit hin­ter Dem zu­rück­blei­ben, der der Hirt der Men­schen und Ge­schöp­fe bleibt.
Wenn al­so „der Herr mein Hir­te ist“ und Je­sus die­ses Hir­te­sein in Wort und Tat noch ein­mal ganz kon­kret aus­ge­legt hat, dann gilt un­ser letz­tes und tiefs­tes Ver­trau­en im­mer Ihm, der die­ses Ver­trau­en und auch un­se­re Lie­be in je­dem Fall ver­dient hat.
Wenn „der Herr mein Hirt ist“, dann be­deu­tet dies auch, dass ich nie­man­den und nichts er­lau­be, sich an sei­ne Stel­le zu set­zen, kei­nem mensch­li­chen Hir­ten, kei­ner In­sti­tu­ti­on, auch der Kir­che nicht, rein gar nichts. Das be­wahrt zwar nicht vor Ent­täu­schung, aber un­se­re Her­zen blei­ben in sei­ner lie­ben­den Nä­he be­wahrt, nicht ver­let­zungs­re­sis­tent, aber frei. Das ist das ers­te und wich­tigs­te für mich in dem Satz: „Der Herr ist mein Hir­te!“
Was dann in dem Psalm 23 kommt, legt das Hir­te­sein Got­tes und Je­su noch ein­mal kon­kret aus, für mich sehr schön aus­ge­drückt in Vers 3: „Mei­ne Le­bens­kraft bringt er zu­rück!“ Noch ein­mal: das Got­tes­bild Je­su war nicht ei­ne Er­fah­rung, die plötz­lich ganz neu vom Him­mel fiel. Sie drückt je­nes Got­tes­bild aus, das Je­sus im 1. Tes­ta­ment, sei­ner Hei­li­gen Schrift, als ro­ten Fa­den ge­fun­den hat, si­cher nicht auf je­der Sei­te, im 2. Tes­ta­ment üb­ri­gens auch nicht.
Gott braucht ei­gent­lich kei­ne Tü­ren, kei­ne Stell­ver­tre­ter, um der Hir­te un­se­res Le­bens zu sein, mal ab­ge­se­hen da­von, dass er sich nie stell­ver­tre­ten lässt. Aber er sucht im­mer wie­der Men­schen, die in sei­nem Geist und im Geis­te Je­su Men­schen die Tü­re des Ver­trau­ens in Got­tes Lie­be öff­nen, des­sen Lie­be selbst durch die Schreck­lich­keit des Kreu­zes nicht wirk­lich durch­kreuzt wer­den konn­te. Das Kreuz ist zum wich­tigs­ten Sym­bol des Chris­ten­tums ge­wor­den. Aber ich bin über­zeugt da­von, dass es das Bild vom Gu­ten Hir­ten auch ver­dient hät­te. Die ers­ten bild­li­chen Dar­stel­lun­gen des frü­hen Chris­ten­tums zei­gen ja auch Je­sus als Gu­ten Hir­ten. Si­cher, das Kreuz kann in schwe­ren Zei­ten, in fins­te­ren Tä­lern, auch zum Trost wer­den als Zei­chen da­für, dass Gott auch im Schmerz bei mir ist und mich ver­steht. Aber das Bild des Gu­ten Hir­ten prägt sich bes­ser in die See­le ein und ist viel­leicht nicht so miss­brauch­bar wie das Bild des Kreu­zes.
Und na­tür­lich ist der Satz in Vers 4 das Al­ler­wich­tigs­te, was sich von Gott sa­gen lässt und an sei­nen Na­men Jah­we er­in­nert: „Du bist bei mir!“ Gott will mein Le­ben Jetzt, so wie es Je­sus in sei­nem Na­men im­mer wie­der deut­lich ge­macht hat. Er will, dass wir ihm nach­fol­gen, al­le und je­der da, wo er hin­ge­stellt ist, und zwar in­dem wir uns al­le als Gu­te Hir­tin­nen und Hir­ten in sei­nem Geis­te ru­fen und be­ru­fen las­sen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)