(Jes 25, 6a.7–9; Röm 8, 14–23; Joh 14, 1–6)
Liebe Schwestern und Brüder,
es sei mir verziehen, dass ich den Namen “Allerseelen” nicht für besonders glücklich halte. Wir wissen mit dieser Bezeichnung zwar, dass es sich um unsere Verstorbenen handelt, aber ich glaube nicht, dass Himmel bedeutet, nur zur Hälfte zu existieren.
Auch ist die Seele nicht etwas, was in unserem Leib wie in einem Kerker eingesperrt ist, wie der griechische Philosoph Platon einmal formulierte.
Sagen wir mal so: Seele bezeichnet die tiefste und innerste Wirklichkeit eines Menschen, das, was er oder sie im letzten ausmacht. Davon wissen die meisten Menschen herzlich wenig und wir selber leider auch. Himmel bedeutet in diesem Zusammenhang zudem, dass wir endlich ganz zu uns selber befreit und wir uns alle in ganz überraschend neuen Lichtern sehen werden.
Meine Mutter würde jetzt fragen: “Thomas, woher weißt du denn das eigentlich?” Dann müsste ich ehrlicherweise sagen, dass ich es eigentlich nicht weiß, diesen Gedanken aber schön finde. Und letztlich wird niemand sagen können, was nach dem Tod eines Menschen wirklich geschieht. Ich bin manchmal sehr überrascht und auch peinlich berührt, wenn ich höre, was ich und andere zu diesem Thema meinen und wie selbstsicher manche davon sprechen, was Gott will oder was er nicht will.
Ich bekenne, dass ich stark in der Heiligen Schrift verwurzelt bin und dort rote Fäden zu erkennen meine. Aber ich würde nie versuchen, andere damit fesseln zu wollen.
Wenn ich also den Faden des am Anfang Gesagten weiterspinne, dann gibt es den Menschen und alles was ist, für mich nicht ohne Verleiblichung. Wenn die so schrecklich wäre, wie manche behaupten, dann hätte sich Gott wohl die Mühe der Menschwerdung sparen können. Ich glaube also auch an die Zukunft des Menschen bei Gott in seiner Leiblichkeit, die Paulus im Himmel “verklärt” nennt. Das zu erklären, ist nicht möglich und muss dem Vertrauen in Gottes wunderbare Hände überlassen werden.
Was mich beim Tod eines geliebten Menschen immer am meisten erschreckt und betrübt, ist seine leibliche Auflösung der irdischen Existenz, dass Verschwinden seines Lebensatems und die Unmöglichkeit, mit ihm noch kommunizieren, ihn nicht mehr anschauen, anfassen und berühren zu können. Das Vermissen ist für mich eines der schmerzlichsten Aspekte des Sterbenmüssens. Sicher, ich kann sagen, der Verstorbene ist in meinem Herzen unsterblich, zumindest solange ich selber lebe. Aber mir ersetzt das die sakramentale Leiblichkeit nicht. Was also sollen wir tun? Genau das, was wir in diesen Tagen tun: unsere bleibende Verbundenheit zum Ausdruck bringen, unsere Hoffnung und unser Vertrauen letztlich in jenes Geheimnis, dass wir Gott nennen und von dem wir glauben, dass wir aus ihr geboren und in sie hinein sterben und leben werden. Möge dieses Licht der Hoffnung in unser aller Herzen so hell wie möglich brennen dürfen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)
