Al­ler­see­len 2025 (2.11.)

(Jes 25, 6a.7–9; Röm 8, 14–23; Joh 14, 1–6)

Lie­be Schwes­tern und Brüder,

es sei mir ver­zie­hen, dass ich den Na­men “Al­ler­see­len” nicht für be­son­ders glück­lich hal­te. Wir wis­sen mit die­ser Be­zeich­nung zwar, dass es sich um un­se­re Ver­stor­be­nen han­delt, aber ich glau­be nicht, dass Him­mel be­deu­tet, nur zur Hälf­te zu existieren.

Auch ist die See­le nicht et­was, was in un­se­rem Leib wie in ei­nem Ker­ker ein­ge­sperrt ist, wie der grie­chi­sche Phi­lo­soph Pla­ton ein­mal for­mu­lier­te.

Sa­gen wir mal so: See­le be­zeich­net die tiefs­te und in­ners­te Wirk­lich­keit ei­nes Men­schen, das, was er oder sie im letz­ten aus­macht. Da­von wis­sen die meis­ten Men­schen herz­lich we­nig und wir sel­ber lei­der auch. Him­mel be­deu­tet in die­sem Zu­sam­men­hang zu­dem, dass wir end­lich ganz zu uns sel­ber be­freit und wir uns al­le in ganz über­ra­schend neu­en Lich­tern se­hen werden.

Mei­ne Mut­ter wür­de jetzt fra­gen: “Tho­mas, wo­her weißt du denn das ei­gent­lich?” Dann müss­te ich ehr­li­cher­wei­se sa­gen, dass ich es ei­gent­lich nicht weiß, die­sen Ge­dan­ken aber schön fin­de. Und letzt­lich wird nie­mand sa­gen kön­nen, was nach dem Tod ei­nes Men­schen wirk­lich ge­schieht. Ich bin manch­mal sehr über­rascht und auch pein­lich be­rührt, wenn ich hö­re, was ich und an­de­re zu die­sem The­ma mei­nen und wie selbst­si­cher man­che da­von spre­chen, was Gott will oder was er nicht will.
Ich be­ken­ne, dass ich stark in der Hei­li­gen Schrift ver­wur­zelt bin und dort ro­te Fä­den zu er­ken­nen mei­ne. Aber ich wür­de nie ver­su­chen, an­de­re da­mit fes­seln zu wollen.

Wenn ich al­so den Fa­den des am An­fang Ge­sag­ten wei­ter­spin­ne, dann gibt es den Men­schen und al­les was ist, für mich nicht oh­ne Ver­leib­li­chung. Wenn die so schreck­lich wä­re, wie man­che be­haup­ten, dann hät­te sich Gott wohl die Mü­he der Mensch­wer­dung spa­ren kön­nen. Ich glau­be al­so auch an die Zu­kunft des Men­schen bei Gott in sei­ner Leib­lich­keit, die Pau­lus im Him­mel “ver­klärt” nennt. Das zu er­klä­ren, ist nicht mög­lich und muss dem Ver­trau­en in Got­tes wun­der­ba­re Hän­de über­las­sen werden.

Was mich beim Tod ei­nes ge­lieb­ten Men­schen im­mer am meis­ten er­schreckt und be­trübt, ist sei­ne leib­li­che Auf­lö­sung der ir­di­schen Exis­tenz, dass Ver­schwin­den sei­nes Le­bens­atems und die Un­mög­lich­keit, mit ihm noch kom­mu­ni­zie­ren, ihn nicht mehr an­schau­en, an­fas­sen und be­rüh­ren zu kön­nen. Das Ver­mis­sen ist für mich ei­nes der schmerz­lichs­ten Aspek­te des Ster­ben­müs­sens. Si­cher, ich kann sa­gen, der Ver­stor­be­ne ist in mei­nem Her­zen un­sterb­lich, zu­min­dest so­lan­ge ich sel­ber le­be. Aber mir er­setzt das die sa­kra­men­ta­le Leib­lich­keit nicht. Was al­so sol­len wir tun? Ge­nau das, was wir in die­sen Ta­gen tun: un­se­re blei­ben­de Ver­bun­den­heit zum Aus­druck brin­gen, un­se­re Hoff­nung und un­ser Ver­trau­en letzt­lich in je­nes Ge­heim­nis, dass wir Gott nen­nen und von dem wir glau­ben, dass wir aus ihr ge­bo­ren und in sie hin­ein ster­ben und le­ben wer­den. Mö­ge die­ses Licht der Hoff­nung in un­ser al­ler Her­zen so hell wie mög­lich bren­nen dür­fen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)

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