(Spr 8, 22–31; Röm 5, 1–5; Joh 16, 12–15)
Liebe Schwestern und Brüder,
als wir Pfingsten die Strophen 2 und 3 von „Großer Gott, wir loben dich“ aus dem Gotteslob Nr. 380 zum Sanctus sangen, fiel mein Blick auf der Seite gegenüber auf ein Zitat von Karl Rahner: „Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang auszuhalten.“ Dieser Satz ist seitdem in meinem Herzen und Kopf hängengeblieben. Karl Rahner konnte ja Sätze verfassen, die so lang waren, dass man am Ende des Satzes kaum noch wusste, wie er angefangen hat. Auch war seine Theologie nicht unbedingt leicht zu verstehen. Aber in seinen geistlichen Schriften und Aufsätzen schrieb er in einer Weise, die leicht verständlich war und zu Herzen ging. Was mich an ihm immer wieder imponierte, war seine Ehrlichkeit, sein bleibendes Suchen und Ringen bis zum Schluss.
Gerade auch zum Ende seines Lebens hin, er starb am 30. März 1984, wurde er nicht müde, allen Theologen und Predigern ins Stammbuch zu schreiben, den Menschen zu sagen, dass all‘ unsere Rede von Gott immer nur eine analoge sein kann, also dass wir immer von Gott nur reden können im vergleichenden Sinne. Wir müssen also z.B. immer sagen, dass Gott wie ein Vater, wie eine Mutter, ist, aber immer unendlich viel mehr.
Es ist immer zutiefst problematisch, wenn wir beim Reden über oder Sprechen mit Gott so tun, als wäre mit ihm alles klar, als wüssten wir genau, was Gott will oder nicht. Da wurden und werden leider oft Grenzen überschritten, wird geistliche Macht missbraucht und Gottes Geheimnis verletzt.
Einen der schönsten und tiefsten Gottesnamen sind die hebräische Buchstaben „JAWH“, die das Geheimnis „Gott“ unaussprechlich machen, und das zurecht. Diese vier Buchstaben als „Herr“ wiederzugeben, ist äußerst problematisch, genauso wie „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ für die Dreifaltigkeit. Diese Worte suggerieren eine vorrangige Männlichkeit in Gott, was ganz und gar falsch ist. Auch in der Wortwahl sollte man das unaussprechliche Geheimnis Gottes achten.
Ein Name für Gott gefällt mir ausgesprochen gut, nämlich das Wort „Du“. Es drückt Nähe und Vertrauen aus, was im Bezug auf Gott wohl das Wichtigste ist. Jesus hat diese Haltung in Bezug auf Gott bestätigt, in Worten und heilenden Taten.
Natürlich ist es heutzutage nicht leichter geworden, an ein „Du“ zu glauben. Vor 2000 Jahren war die Erde relativ übersichtlich und der Himmel nicht fern. Wer auf einen hohen Berg stieg, konnte fast in den Himmel pieksen. Heute wissen wir um die unermessliche und unvorstellbare Ausdehnung unseres Universums und um das Problem, ein „Du“ darin zu denken oder sich vorzustellen. Vielleicht bezog Karl Rahner seinen Satz auf die vielen Unbegreiflichkeiten des menschlichen und irdischen Lebens, die es uns manchmal sehr schwer machen können, an einen Gott der Liebe zu glauben.
Und es mag Menschen geben, die das Geheimnis „Gott“ in einer Tiefe erfahren haben, wie es vielen nicht gegeben ist. Aber niemand kann und darf seine Erfahrung oder Überzeugung anderen aufdrängen, ohne dabei grenzwertig oder missbräuchlich zu sein.
Lasst uns einfach die „Unbegreiflichkeit Gott“ bekennen. Lasst uns bekennen, dass diese Unbegreiflichkeit „Liebe“, dass sie liebenswert und vertrauenswürdig, trotz und in allem, ist.
Und lasst uns um Gottes willen nicht zu schnell Gottesbescheidwisser sein, sondern Gottesfreunde und Gottverliebte. Denn wir sind Gottes geliebte Kinder, nicht nur die Menschen, sondern alle seine Geschöpfe. So lasst uns Mund für alle unsere Geschwister sein, für alle Menschen und Geschöpfe, indem wir aus ganzem Herzen „Amen“ sagen, so sei es. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)