(Apg 1, 1–11; Eph 1, 17–23; Lk 24, 46–53)
Liebe Schwestern und Brüder,
„was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ (Apg 1, 11), das fragen die beiden Engel jene Männer von Galiläa, denen Jesus ihren Blicken entzogen wurde. Das klingt fast ein bisschen vorwurfsvoll und war vermutlich nicht ganz unberechtigt. Denn im Laufe der Kirchengeschichte blickten Männer der Kirche gerne in den Himmel und forderten die Menschen auf, es ihnen gleich zu tun. Manchmal wird ja bis heute so getan, als käme es nur auf den Himmel an, der vor uns liegt. Das ist sicher eine schöne Hoffnung, die uns beflügeln kann. Aber diese Hoffnung ist nicht dazu da, auf eine jenseitige Zukunft zu vertrösten und auf Erden alles beim Alten zu belassen oder gar unhaltbare Zustände als leider hinnehmbar zu rechtfertigen.
Beim Lesen des 2. Testamentes ist mir noch nicht aufgefallen, dass Jesus vor allem eine solche Vertröstung wollte, im Gegenteil. Wo immer er konnte, hat er seine heilsamen Worte mit konkreten Heilungen für Seele und Leib verbunden. Aber nicht nur das. Er deutete dieses Tun zugleich auch als „Himmel“, der schon ganz konkret irdische Wirklichkeiten und Menschen erreichte. Immer wieder betonte er, dass dadurch das „Reich Gottes“ nahe und erfahrbar sei, und mit „Reich Gottes“ meinte er die himmlische und heilsame Gegenwart seines geliebten Vaters.
Das ist es, was Gott für die Erde und die Menschen immer will: nicht nur Hoffnung auf zukünftiges Heil, auch über den Tod hinaus, sondern Himmel und Heil schon jetzt.
Wir alle wissen und erfahren es täglich, wie viel Hölle und Unheil Menschen über die Erde und viele unschuldige Menschen bringen können. Das ist aber nicht nur heute so. Das war auch zu Lebzeiten Jesu so. Das ist so, seit es Menschen gibt. Warum das so ist, bleibt eine geheimnisvolle und wohl nicht beantwortbare Frage. Aber Jesus hat sich nicht in eine Höhle zurückgezogen und für die böse Welt gebetet und Buße getan. Nein, er hat in der Kraft des Heiligen Geistes den vielen Höllen so viel Himmel wie möglich entgegengestellt. Das ist der Auftrag, den uns die Engel und letztlich Jesus selber mit auf den irdischen Weg geben: lasst in Gottes Namen so viel Himmel wie möglich auf Erden sein, in euren Familien und Gemeinschaften, in eurem Land und in euren Religionen, in euren Worten, aber vor allem in euren Taten.
Wir beten in diesen Tagen wie die Jüngerinnen und Jünger damals zwischen Himmelfahrt und Pfingsten nicht um den Heiligen Geist, um möglichst viele Menschen in die Kirche zu bringen, sondern um ein Stück Himmel durch den Geist der Liebe erfahrbar zu machen und erfahren zu dürfen, in dessen Kraft wir auch hoffen und vertrauen lernen, trotz und in allem. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)