(Hos 11, 1–4,8; Kol 1, 12–20; Lk 23, 35b-43)
Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt immer mehr Stimmen, die meinen, dass das Hochfest Christkönig aus der Zeit gefallen ist und eigentlich abgeschafft gehört. Der Theologe und Professor Norbert Scholl schlägt vor, stattdessen ein „Fest der Menschenfreundlichkeit Jesu“ zu feiern und bezieht sich da auch auf die Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ich selbst finde diesen Gedanken sehr schön, auch wenn ich weiß, dass es viele gibt, die gar keinen Anlass sehen, überhaupt darüber nachzudenken.
Die Frage ist doch, ob wir Jesus wirklich als König brauchen und ob Jesus selbst darauf großen Wert legen würde, wohl eher nicht. Die Evangelien bezeugen, dass er sich gerne als „Menschensohn“ bezeichnet hat. In diesem Wort drückt er klar und deutlich aus, wo er stehen möchte: nicht über den Menschen, sondern neben ihnen in all ihren Gebrochenheiten und ihrem Begrenztsein.
Wenn der Kóllosserbrief in der 2. Lesung behauptet, dass Jesus „das Bild des unsichtbaren Gottes“ sei (Kol 1, 15), dann identifiziert sich doch das Geheimnis Gottes klar mit diesem Menschensohn, so sehr, dass alles, was dieser Menschensohn sagt und tut, Gott selber sagt und tut, dann ist das Schicksal des Menschensohnes zugleich das Schicksal Gottes.
Für die Jüngerinnen und Jünger Jesu war der schändliche Tod Jesu am Kreuz eine Katastrophe und Glaubensprüfung. Denn wer am Kreuz hängt, galt als von Gott verflucht und verlassen.
Dieser Gott aber hat kein Interesse an triumphalistischen Königszeremonien, an Machtdemonstrationen und Hierarchien, die ein Oben und Unten sanktionieren. Dieser Gott will eben nicht gefürchtet und als eine Art Oberstaatsanwalt missbraucht werden, der nichts besseres zu tun hat, als kleinlich alle Sünden der Menschen aufzuschreiben und sie am Ende angemessen zu bestrafen. Nein, dieser Gott kreuzigt und bestraft nicht nach königlicher Menschenart. Er lässt sich lieber als Verbrecher zwischen Verbrechern aufhängen, um bis zum Äußersten die Machtlosigkeit seiner Liebe zu bezeugen und zu bekräftigen.
Hier wird nur Missbrauch menschlicher Macht demonstriert und ein Gott, der rein gar nix mit einem solchen Denken zu tun hat. Kein Wunder, dass man am Ende mit einem solchen Gott keinen Staat machen kann und nur Spott und Hohn für ihn übrig hat.
Wie tröstlich und ermutigend ist die Zusage Jesu am Kreuz für den einen Verbrecher, dass er noch heute mit Jesus im Paradiese sein wird (Lk 23,43), nur weil dieser zu seinem Versagen steht und bittet: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ (Lk 23,42). Aber was heißt hier „nur“? Wie schwer fällt es uns Menschen immer wieder, zu unseren krummen Zeilen des Lebens zu stehen, anstatt immer nur die Umstände oder andere für das eigene Verhalten verantwortlich zu machen. Wie dem auch sei und wie fast unmöglich für uns vieles unbegreiflich bleibt: Gott will in Jesus nicht gefürchtet, sondern geliebt werden, sogar um den Preis des Gekreuzigtwerdens.
Wenn wir die Texte des heutigen Tages also recht bedenken, dann wäre ein Umbenennen des Festes in „Fest der Menschenfreundlichkeit Jesu“ durchaus berechtigt und zeitgemäß. Für diese Menschenfreundlichkeit Jesu lasst uns nicht nur im Gottesdienst in Wort und Tat „Danke“ sagen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)
(P. Thomas Röhr OCT)