(Sir 27,30 — 28,7; Röm 14,7–9; Mt 18,21–35)
Da wir nicht vertraut sind mit den damaligen Geldwerten im alten Israel, ist es gut, sich das Gleichnis (Mt 18,23–35) einmal genauer anzuschauen. Es erzählt nicht von einem König, der gerade einen guten Tag hat und darum großmütig seinem Diener, der hier und da in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, die Schulden erlässt und ihm damit ein gutes Beispiel gibt, ebenso zu handeln. Jesus erzählt hier von einem Diener, der völlig überdimensional hohe Schulden gemacht hat. (Jemand hat ausgerechnet, dass es sich um eine Summe handelt, die dem Wert von 100 Millionen Arbeitstagen entsprach.) Nie wäre er imstande gewesen, sie zurückzuzahlen. Seine Kinder und Kindeskinder wären Zeit ihres Lebens Sklaven geblieben, um seine Schulden abzubezahlen. Dieser Minister, der in seiner Verzweiflung um Aufschub und Geduld bat, bekam einen völligen Erlass all seiner irrsinnig hohen Schulden.
Vermutlich hat Jesus seine Zuhörer damit an dieser Stelle schon in Sprachlosigkeit versetzt. So ist Gottes Liebe. Auf die Frage von Petrus, wie oft er vergeben müsse, antwortet Jesus ihm so. Er regt einen Perspektivwechsel an. Er möchte den Blick für jene Wirklichkeit öffnen, die unser Leben trägt. Denn zuallererst sind wir die schon überreich Beschenkten! Die wichtigste Botschaft ist und bleibt die, die jedermann gleichermaßen gilt: ein von Gott zutiefst geliebter Mensch zu sein. Sie wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass am Ende aus dem barmherzigen König ein zornig Strafender wird. Spiegeln sich hier nicht sehr menschliche Erfahrungen und Reaktionen wider? Liegt der Grund dafür, dass Jesus dazu bewegen möchte, wieder und immer wieder zu vergeben, nicht gerade darin, weil er von Gottes Liebe durchdrungen ist, die unerschöpflich und grenzenlos ist?! Sie ist die Quelle, die jede menschliche Liebesfähigkeit immer aufs Neue nährt. Die Frage, was ich muss und soll, kann sich dann wandeln in den Wunsch, Antwort zu geben und weitergeben zu können, was mir selber immer schon geschenkt ist.
A. Teuber