(Apg 2, 1–11; 1 Kor 12, 3b‑7.12–13; Joh 20, 19–23)
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist schon manchmal merkwürdig, was Pfingsten alles sein soll. Es sei das Geburtsfest der Kirche. Und natürlich wurden nur die Apostel vom Heiligen Geist ergriffen, die wiederum nur zu „frommen Männern aus allen Völkern unter dem Himmel“ reden (Apg 2,5). Aber genau das ist Pfingsten sicherlich nicht, nämlich eine reine Sache von Männern. Das fängt ja schon an mit dem hebräischen Wort „ruach“, das man ja mit „lebenschaffender Geistkraft Gottes“ übersetzen muss und weiblich ist.
Diese lebenspendene Geistkraft Gottes brütet, wie es richtigerweise heißen muss, schon im Schöpfungsbericht über der Urflut, rief alles Geschaffene ins Leben und beseelte es. Damit ist gesagt, dass alles Leben von Gott kommt, unabhängig davon, wie sich die Naturwissenschaft die Entstehung der Welt und des Universums erklärt.
Von Anfang an wollte die Ruach Verbundenheit, die vor allem in Gott selbst ihre tiefsten Gründe hat.
Natürlich waren am Pfingsttag nicht nur männliche Apostel versammelt, sondern auch andere und vor allem die Frauen, wie auch die Mutter Jesu, wie es in Apg 1, 13+14 nachzulesen ist. Sie alle! sind die Adressaten der Geistkraft Gottes, die sich in Zungen wie Feuer auf jeden und jede von ihnen niederließ.
Die Sprache, die man in aller Welt verstehen kann, ist die Sprache der Liebe, die Gesten und Zeichen kennt, die alle verstehen und miteinander verbindet.
Das große Gefühl, das Pfingsten entsteht, ist ein tiefes Empfinden von Verbundenheit, das im Geheimnis Gottes seinen Ursprung hat. Diese Erfahrung machen vor allem die Jüngerinnen und Jünger Jesu schon zu seinen irdischen Lebzeiten, in denen er vielen Menschen eine Würde wiedergab, die manche verloren oder denen man sie abgesprochen hatte, leider immer wieder auch von übereifrigen und selbstgefälligen, religiösen Menschen, bis heute.
Wer also Pfingsten feiert, feiert die Familie Gottes, die so unterschiedlich ist, wie es Kinder ein und derselben Familie sein können. Pfingsten will die Angst vor Verschiedenheiten aufbrechen und sie als Bereicherung verstehen. Pfingsten meint auch eine Kirche, in der sich alle! als Geistbegabte verstehen, ohne Diskussionen darüber zu führen, wer nun mehr Heilige Geistkraft hat und wer nicht.
Pfingsten bringt Menschen zusammen, die oft verschiedene Sprachen sprechen und nicht selten aneinander vorbei, weil Eigeninteressen verschiedener Arten wichtiger sind als die Würde des Menschen.
Pfingsten will die Heilige Geistkraft Gottes in unseren Herzen, in unseren Gedanken und Gefühlen „brüten“, damit Leben in uns sei, Heil für Leib und Seele, vor allem aber Frieden, den der auferweckte Jesus den Verängstigten zusagt, nicht Angst zuerst aus Furcht vor den anderen, sondern aus einem schlechten Gewissen heraus, den Freund Jesus in seinen schwersten Stunden alleine gelassen zu haben.
Und wie soll aus unseren Herzen Frieden kommen und uns die Kraft seiner Liebe beseelen, wenn da zu viel Angst und Furcht drin hausen?
Lasst uns glauben und darauf vertrauen, dass die Geistkraft Gottes auch in Zukunft ihre Gaben in vielen Menschen ausbrüten kann und diese mit Begeisterung und Feuer im Herzen mitarbeiten an einer Menschheit, die sich als Familie Gottes versteht bzw. von dieser Geistkraft ergriffen und mit allen und allem verbunden wird. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)