Pre­digt zum 4. Sonn­tag der Os­ter­zeit (03.05.2020) und Gi­tar­ren­stück “Du bist bei mir”

(Apg 2,14a.36–41; Ps 23,1–3.4.5.6; 1 Petr 2,20b-25; Joh 10,1–10)

Lie­be Schwes­tern und Brüder,

der vier­te Sonn­tag der Os­ter­zeit ist der sog. „Gu­te Hir­te Sonn­tag“, weil das Evan­ge­li­um im­mer vom „Gu­ten Hir­ten“ han­delt. Zu­gleich ist die­ser Sonn­tag der „Welt­ge­bets­tag um geist­li­che Be­ru­fe“. Nun, be­ru­fen geist­lich zu le­ben, sind wir al­le. Das be­deu­tet ja nicht zu­erst, be­stimm­te geist­li­che Übun­gen zu prak­ti­zie­ren, son­dern sich dem Geist Je­su zu öff­nen und sich von ihm be­we­gen zu las­sen. Ob­wohl ja ei­gent­lich im­mer ir­gend­wie und ir­gend­wo Kri­sen­zei­ten sind, so ha­ben auch sie wohl zwei Sei­ten. Das Wort „Kri­se“ lei­tet sich vom grie­chi­schen „krí­sis“ her und be­deu­tet „Ent­schei­dung“. Ich kann al­so ent­schei­den, ob ich sie als Ka­ta­stro­phe oder als ei­ne Chan­ce se­he. Meis­tens muss ich sie als bei­des ak­zep­tie­ren.
Aber was hat das nun al­les mit dem „Gu­te Hir­te Sonn­tag“ zu tun? Bei al­len (krampf­haf­ten) Ver­su­chen, wie­der so et­was Ähn­li­ches wie Got­tes­diens­te in Kir­chen un­ter stren­gen Auf­la­gen zu fei­ern, soll­te man nicht ver­ges­sen, dass Got­tes­diens­te nicht nur als Eu­cha­ris­tie­fei­ern und nicht nur in Kir­chen mög­lich sind. Muss­ten die Is­rae­li­ten nach der Zer­stö­rung des Tem­pels nicht auch ih­re al­lei­ni­ge Fi­xie­rung auf den Tem­pel auf­ge­ben und Got­tes Ge­gen­wart „in der Frem­de“ su­chen und neue For­men des Got­tes­diens­tes entdecken?

Viel­leicht sind auch wir heu­te an­ge­hal­ten, es den Is­rae­li­ten gleich zu tun neu oder über­haupt zum ers­ten Mal nach We­gen und Ri­tua­len zu su­chen, die un­se­re ge­mein­sa­me, geist­li­che Ver­ant­wor­tung zum Aus­druck bringt?!

Wäh­rend für un­se­re Groß­el­tern das Bild vom „Gu­ten Hir­ten“ ein sehr tröst­li­ches war und ist, ist uns das heu­te viel­leicht fremd ge­wor­den. Manch­mal fra­ge ich mich, ob und wie un­ser ge­mein­sa­mer Glau­be zu Hau­se noch zum Aus­druck kommt? Ich weiß, dass vie­le von uns in ih­rer Sor­ge und Lie­be für­ein­an­der tol­le Hir­tin­nen und Hir­ten sind. Das vor al­lem ist schon mal ein gu­ter Got­tes­dienst im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes und ein Sa­kra­ment der Ge­gen­wart des Gu­ten Hir­ten. Aber trau­en wir uns auch, oh­ne Angst über un­se­re Er­fah­run­gen mit dem Gu­ten Hir­ten zu spre­chen? Trotz der sog. „tä­ti­gen Teil­nah­me“ der Gläu­bi­gen in vie­len Got­tes­diens­ten blei­ben wir doch oft ir­gend­wie Zu­schau­er, „re­li­giö­se Kon­su­men­ten“, und ha­ben ver­lernt, dass wir al­le ei­ne geist­li­che Be­ru­fung ha­ben und selbst Got­tes­häu­ser des Hei­li­gen Geis­tes, ja, des Ge­heim­nis­ses Got­tes sind. Die­ses Got­tes­haus ist zwar nicht der Köl­ner Dom, aber es hat zwei Bei­ne und ist über­all da, wo wir ge­ra­de sind. Es ist wun­der­schön, wenn die­se „Got­tes­häu­ser auf zwei Bei­nen“ zu­sam­men­kom­men, um die­ses Wun­der mit­ein­an­der zu fei­ern, aber es ist eben ei­ne Form von vie­len Mög­lich­kei­ten, Got­tes­diens­te zu fei­ern und sei­ne Be­ru­fung, ei­ne Woh­nung Got­tes zu sein, zu leben.

Als Ant­wort­psalm nach der 1.Lesung ist heu­te der Psalm 23 vor­ge­se­hen. Für vie­le ist die­ser Psalm zu ei­nem der wich­tigs­ten Ge­be­te ge­wor­den, die uns die he­bräi­sche Bi­bel, al­so das hei­li­ge Buch der Ju­den, ge­schenkt hat.

Es könn­te ein schö­ner Got­tes­dienst sein, über die Wor­te des Psalms ge­mein­sam oder al­lei­ne be­tend zu me­di­tie­ren. Man könn­te auch ver­su­chen, ihn mit ei­ge­nen Wor­ten und ver­trau­en Bil­dern in das ei­ge­ne Le­ben hin­ein zu ak­tua­li­sie­ren. Las­sen wir doch die­sen wun­der­ba­ren Gott in un­se­ren Her­zen und in un­se­ren Le­ben Hir­te sein. Ver­bau­en wir uns nicht die Kraft die­ses Psalms für un­ser Le­ben, weil wir we­der et­was mit „Hir­te“, noch mit dem Schaf­sein an­fan­gen kön­nen. Haupt­aus­sa­ge ist ei­ne ver­trau­te, war­me, tie­fe Be­zie­hungs­ebe­ne, die wir in die­sen Zei­ten ge­ra­de zwi­schen­mensch­lich so schmerz­lich ver­mis­sen, (und dar­um oft auch den Gu­ten Hir­ten). Aber der Gu­te Hir­te will mir trotz­dem im­mer und über­all Gu­tes, er will Ru­he für die Un­ru­he mei­nes Her­zens, „mei­ne Le­bens­kraft bringt er zu­rück“ (Ps 23, 3), wo ich sie in all­zu vie­len Fins­ter­nis­sen und Un­be­greif­lich­kei­ten ver­lo­ren ha­be. Welch ein schö­ner Hoff­nungs­satz: „Mei­ne Le­bens­kraft bringt er zu­rück!“ Der ist wie ein Boot, in das ich mich ber­ge in stür­mi­scher See. Aber noch wich­ti­ger und tra­gen­der ist die Er­fah­rung: „Du bist bei mir!“ (Ps 23, 4). Es ist die ewi­ge und un­aus­lösch­li­che Zu­sa­ge des Got­tes­na­mens vom bren­nen­den Dorn­busch: „Ich bin da! Ich wer­de da sein!“ (Ex 3, 14).

Der HERR ist mein Hirt, nichts wird mir feh­len. 2 Er lässt mich la­gern auf grü­nen Au­en und führt mich zum Ru­he­platz am Was­ser. 3 Mei­ne Le­bens­kraft bringt er zu­rück. Er führt mich auf Pfa­den der Ge­rech­tig­keit, ge­treu sei­nem Na­men. 4 Auch wenn ich ge­he im fins­te­ren Tal, ich fürch­te kein Un­heil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trös­ten mich. 5 Du deckst mir den Tisch vor den Au­gen mei­ner Fein­de. Du hast mein Haupt mit Öl ge­salbt, über­voll ist mein Be­cher. 6 Ja, Gü­te und Huld wer­den mir fol­gen mein Le­ben lang und heim­keh­ren wer­de ich ins Haus des HERRN für lan­ge Zeiten.

Psalm 23, Ein­heits­über­set­zung 2016

Viel­leicht ist die Kri­se ei­ne Chan­ce, dies wie­der neu zu er­fah­ren mit­ten im fins­te­ren Tal (Ps 23,4). Viel­leicht er­füllt sich mit die­ser Kri­se ein Traum Got­tes, dass wir IN IHM wie­der ganz neu ein Zu­hau­se fin­den für lan­ge Zei­ten (Ps 23,6). Dann wer­den sich be­stimmt in IHM vie­le noch mehr zu Gu­ten Hir­tin­nen und Hir­ten ver­wan­deln. Um „Wand­lung“ geht es doch schließ­lich im­mer, ob mit oder oh­ne Eu­cha­ris­tie. Amen.

Eu­er / Ihr

Br. Tho­mas OCD

Du bist bei mir — nach Psalm 23