16. Sonn­tag im Jah­res­kreis B (21.07.2024)

(Jer 23, 1–6; Eph 2, 13–18; Mk 6, 30–34)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
wenn ich mich aus ei­nem Tru­bel zu­rück­zie­hen wür­de, um aus­zu­ru­hen und al­lein zu sein, wä­re ich we­nig be­geis­tert, wenn die­ser Tru­bel mir ein­fach fol­gen wür­de und so­gar schon da wä­re, be­vor ich an­ge­kom­men bin. Ich hät­te da wohl ver­mut­lich kein Ge­fühl des Mit­leids, son­dern des Är­gers ver­spürt. Je­sus hat aber im Evan­ge­li­um Mit­leid mit den vie­len Men­schen, das be­grün­det wird mit den Wor­ten: „denn sie wa­ren wie Scha­fe, die kei­nen Hir­ten ha­ben“ (V34). Kann es nicht sein, dass es auch heu­te vie­le Men­schen gibt, die nach Rat und Sinn su­chen, nach Le­bens­tie­fe und Spi­ri­tua­li­tät, nach Wert­schät­zung und An­er­ken­nung über al­les Leis­ten­müs­sen hin­aus, nach Ru­he und in­ne­ren Frie­den in ei­ner Welt, die im­mer schnel­ler zu wer­den scheint und ir­gend­wie auch här­ter und fried­lo­ser? Kann es sein, dass Re­li­gio­nen und ih­re Hir­ten viel zu sehr mit sich selbst be­schäf­tigt sind, sich zu viel um die In­sti­tu­ti­on sor­gen und küm­mern und den Men­schen nur den mo­ra­li­schen und dog­ma­ti­schen Zei­ge­fin­ger zei­gen? Da­bei ha­ben sie doch so gro­ße, spi­ri­tu­el­le Reich­tü­mer an­zu­bie­ten, das Chris­ten­tum al­le­mal! Und kann es sein, dass wir uns zu sehr in die Ver­gan­gen­heit träu­men und von Men­schen, die vor al­lem ge­hor­sam sind?
Ja, auch heu­te gibt es vie­le Men­schen, in­ner­halb und au­ßer­halb von Kir­chen und Re­li­gio­nen, die wie Scha­fe sind, die kei­nen Hir­ten ha­ben! Die nicht das Ge­fühl ha­ben, dass man sich für sie und ein ge­lin­gen­des Le­ben in­ter­es­siert. Zur Zeit Je­su gab es doch ge­nü­gend Hir­ten, aber eben of­fen­sicht­lich nicht sol­che, die man als „Gu­te Hir­ten“ be­zeich­nen wür­de.
Je­sus muss ein Mensch ge­we­sen sein, der den Men­schen aus dem Her­zen sprach, des­sen Wor­te nicht leer, son­dern von Nah­rung spen­den­der Tie­fe wa­ren, der Men­schen so be­geg­nen und sie an­schau­en konn­te, dass sie in der Be­geg­nung mit ihm hei­ler wur­den an See­le und Leib, die un­ter sei­nem Blick An­se­hen und Wert­schät­zung er­fuh­ren, ge­ra­de auch in al­ler Ge­bro­chen­heit des Le­bens. Je­sus er­zähl­te an­ders von Gott. Er mach­te aus ei­nem kal­ten, gna­den­lo­sen und zor­ni­gen Gott ei­nen war­men, zärt­li­chen und lie­be­vol­len, in sei­nen Ge­schich­ten, wie aber vor al­lem in sei­nen Ta­ten, die er als Zei­chen des wun­der­bar und heil­sam na­hen Gott be­zeug­te und deu­te­te. Er mach­te den Men­schen Mut, sich nur auf ei­nen Hir­ten rest­los zu stüt­zen und ihm zu ver­trau­en, näm­lich auf den, den er sel­ber zärt­lich „Ab­ba“, al­so „Pa­pa“, nann­te und dem der kon­kre­te Mensch, so­wie Lie­be und Barm­her­zig­keit wich­ti­ger wa­ren, als blo­ße Ge­bo­te und Ver­bo­te, als Op­fer und nur äu­ßer­li­cher, schö­ner Kult. Als Kin­der Got­tes soll­ten sich die Men­schen ge­liebt füh­len und nicht als Sün­der, de­nen Gott we­der das Le­ben vor, noch nach dem To­de gönn­te.
Ihm ging es auch nicht um die Ge­win­nung von Mit­glie­dern, nicht um hei­li­ge Tra­di­tio­nen, die un­ter al­len Um­stän­den und mit al­len Mit­teln be­wahrt wer­den müss­ten. Ihm ging es wirk­lich um den kon­kre­ten Men­schen, um sein Glück und sein Heil für See­le und Leib, das man in sei­nem Ab­ba-Gott fin­den und als be­schützt er­fah­ren soll­te.
Viel­leicht ist auch die­ses Ver­trau­en ein „Raum“, ein „ein­sa­mer Ort“, wo man ein we­nig aus­ru­hen kann. Aber wir soll­ten auch ein­an­der sol­che „Or­te“ an­bie­ten und sel­ber sol­che „Or­te“ sein, wo Men­schen be­din­gungs­los sein und aus­ru­hen dür­fen von ei­nem Le­ben, das viel von ih­nen ab­ver­langt. Das wün­sche ich ei­nem je­den von uns, in Got­tes Na­men, dem Gu­ten Hir­ten für Zeit und Ewig­keit. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)