(Koh 1,2; 2,21–23; Kol 3, 1–5.9–11; Lk 12, 13–21)
Liebe Schwestern und Brüder,
es scheint, dass die heutigen, biblischen Texte nur den moralischen Zeigefinger erheben und uns vor allem vor Reichtum und Habsucht warnen wollen. Hiob ist in seiner Not nicht gerade dafür bekannt, dass er eine positive Grundeinstellung zum Leben hat. Da ist einfach alles nur „Windhauch“ und nur traurig. Freilich hat er auch mit Vielem Recht. Wer kennt nicht Sorge und Ärger und dass manchmal in der Nacht unser geplagter und besorgter Geist nicht zur Ruhe kommt? Aber das Gefühl von Windhauch für alles sollte doch lieber nicht unsere Grundeinstellung zum Leben sein. Wo bleibt da am Ende die „Frohe Botschaft“?
Auch die 2. Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Kolóssä warnt vor der Habsucht, die ein Götzendienst ist (Kol 3,5).
Und im Evangelium scheint Jesus ins gleiche Horn zu blasen. Natürlich ist Habgier asozial und es ist nicht besonders klug, das Glück und das Leben in eine unsichere Zukunft zu verschieben. Denn jeden von uns kann das Schicksal des reichen Mannes aus dem Gleichnis treffen, dass wir zu früh und plötzlich versterben. Aber viele Menschen schlagen sich eher mit der Frage herum, ob das Geld für das Nötigste zum Leben noch reichen wird. Die Habgier ist da echt gerade nicht ihr Problem. Und Gott? Befreit er uns von aller Sorge und Not? War er wirklich zum Schatz für all‘ jene geistlichen Frauen und Männer geworden, die den entführten und den Eltern geraubten indigenen Kindern in Kanada das irdische Leben zur Hölle gemacht haben? Wohl kaum. Ganz und gar irdisch im Sinne der 2. Lesung war das, vielleicht noch viel schlimmer. Nur Entschuldigung zu sagen, reicht da sicher nicht aus. Da muss man sich schon fragen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, vor allem durch Menschen, die den Gott der Liebe verkünden und erfahrbar machen sollten.
Wo ist nun in unseren heutigen, biblischen Texten ein wenig Trost und Ermutigung? Sicher, Veränderungen zum Positiven sind oft erst möglich, indem wir uns den negativen und lebensverhindernden Haltungen stellen, die sich in jedem! Menschenherzen einnisten können. Davon sind auch jene nicht befreit, die ein geistliches Gewand tragen, im Gegenteil. Es ist gut und wichtig, ehrlich an- und auszusprechen, anzusehen, wo Liebe, Wertschätzung und Mitmenschlichkeit auf der Strecke bleiben. Nur für sich selbst Schätze (materielle wie immaterielle) zu sammeln, macht nicht nur bei Gott nicht reich, sondern das eigene Herz und Leben hart und leer.
Jeder Mensch braucht natürlich materielle Grundlagen, um ein einigermaßen menschenwürdiges Leben führen zu können. Dass sich das Glück darin nicht erschöpft, wissen die meisten von uns.
Möge Gott uns helfen, Schätze des Zwischenmenschlichen zu pflegen. Möge Gottes Geist uns helfen, eher darin jenen inneren Frieden zu finden, nach dem sich das menschliche Herz so sehnt.
Und möge uns die innere Freiheit geschenkt sein, um gelassen und mit etwas Abstand die Dinge der Welt so zu gebrauchen, dass wir nicht ihre Gefangenen sind, frei bleiben also, um ein bisschen mehr Vertrauen und Liebe zu wagen: für uns selbst, für unsere Mitmenschen und Mitgeschöpfe und für jenes unergründliche Geheimnis, das wir Gott nennen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)