(1 Kön 19, 4–8; Eph 4, 30 — 5,2; Joh 6, 41–51)
Liebe Schwestern und Brüder,
heute enden die olympischen Spiele in Paris. Es war schön zu sehen, wie Frauen und Männer aus 206 Ländern miteinander um Medaillen gekämpft haben. Manchmal tut es mir leid, mit welch‘ hohen Erwartungen die Sportlerinnen und Sportler belastet werden und wie traurig es dann ist, wenn eine erhoffte und erwartete Medaille verpasst wurde.
Im Interview nach einer verpassten Medaille sagte eine Sportlerin: „Ich bin halt ein Mensch und keine Maschine!“. Das hat mich sehr beeindruckt. Und dieser Satz hätte eine Medaille verdient.
Auch der Prophet Elija hatte am Berg Karmel beim Opferwettstreit, den er in seinem Übereifer angezettelt hatte, sozusagen eine Goldmedaille gewonnen und fühlte sich wohl unschlagbar. Doch als man ihm wegen der Tötung der Baalspriester nach dem Leben trachtete, fiel er in eine tiefe Depression und hatte Todessehnsucht. Davon haben wir heute in der 1. Lesung gehört. Der große Prophet Gottes fühlte sich plötzlich so klein, verletzlich, schwach und „nicht besser als seine Väter“ (1 Kön 19,4). Dabei müssen gerade von Gott für einen Dienst Berufene um ihre Verletzlichkeit wissen, damit sie einerseits nicht vergessen, dass sie nur aus Gottes Kraft leben und damit sie andererseits an der Seite der Menschen menschlich bleiben. Auch sie sollen keine frommen Hochleistungsmaschinen sein, sondern verletzliche und begrenzte Menschen, um andere Menschen in ihren Begrenztheiten zu verstehen und ihnen Schwester und Bruder zu bleiben. Auch als Gottes Prophetin oder Prophet gilt das, was im Épheserbrief heute steht: „Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und führt euer Leben in Liebe“ (Eph 4,5).
Vor Gott geht es ohnehin nicht um religiösen Hochleistungssport, noch um andere, außergewöhnliche Begabungen.
Im Evangelium wird Jesus abgelehnt, weil er zu menschlich daherkommt. Man meint zu wissen, wie ein Gottgesandter zu sein hat und kann nicht akzeptieren, dass er keine göttliche Maschine, sondern einfach nur ein gewöhnlicher Mensch ist.
Wer könnte sich noch etwas auf seinen Glauben einbilden, wenn er doch nur zu Christus finden kann, wenn der Vater ihn zu ihm zieht? (Joh 6, 49)
Jesus kann „das Brot des Lebens“ sein, weil er ein Mensch ist und niemanden mit seiner göttlichen Herkunft erschlägt.
Elija wird von Gott angerührt und neu gestärkt, damit sein Lebensweg nicht zu weit für ihn wird.
Im Evangelium werden die Propheten mit einem Satz zitiert, der bemerkenswert ist: „Und alle werden Schüler Gottes sein!“ (Joh 6,45). Niemand darf sich Stellvertreter Gottes nennen oder so tun, als wüsste er ganz genau, was Gottes Wille ist. Das gebrochene und verletzliche Menschsein erinnert uns daran, dass wir alle, wirklich alle, Schüler Gottes bleiben und sind, damit am Ende alle, wirklich alle, Menschengeschwister sind und bleiben und sich niemand, schon gar nicht im Namen Gottes, über andere erheben kann.
Ob mit oder ohne Medaille: jeder bleibt ein Mensch, so bewundernswert manches ist, was vollbracht ist. Danken wir für alle, die uns erlauben, ein Mensch zu bleiben. Gott erlaubt es uns allemal. Am Ende gilt immer der Vers aus dem Épheserbrief: „Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und führt euer Leben in Liebe“ (Eph 5, 1+2).
Darin aber ist uns gerade jener ein unnachahmliches Vorbild geworden, von dem es heute im Evangelium heißt: „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh 6, 48). Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)