(Sir 3, 17–18.20.28–29; Hebr 12, 18–19.22–24a; Lk 14, 1.7–14)
Liebe Schwestern und Brüder,
immer wieder hört man, dass wir unsere Werte verteidigen müssen. Welche das konkret sein sollen, hört man weniger. Würden jene Werte dazugehören, die uns heute in der 1. Lesung und im Evangelium ans Herz gelegt werden? Es sind Demut, Bescheidenheit und Selbstbeschränkung. Natürlich kann man sofort Beispiele ins Feld führen, wo das ganz und gar nicht angebracht scheint. Aber damit hat sich ja die grundlegende Richtigkeit und Notwendigkeit dieser Werte nicht erledigt. Es scheint sogar, dass diese Werte wertvoll werden und sind, was z.B. den Klimawandel betrifft, aber auch, was ein menschlicheres und solidarischeres Miteinander in Gesellschaft, Kirche, Religionen, Staaten und die Weltgemeinschaft betrifft. Diese Werte kratzen möglicherweise auch ein bisschen an manchem Freiheitsverständnis, das keine Grenzen kennen will und Korrekturwerte wie Bescheidenheit, Demut und Selbstbeschränkung gar nicht erst zulässt.
Teresa von Ávila beschrieb ja das verstaubte und oft missbrauchte Wort „Demut“ als den Mut, „in der Wahrheit zu wandeln“, also sich und anderen einfach nichts vorzumachen. Das 2. Testament lässt Wahrheit nicht eine Abstraktion, sondern eine Person sein, nämlich Jesus von Nazareth. Er lebte offensichtlich in vorbildlicher Weise, was Demut, Bescheidenheit und Selbstbeschränkung meint, ohne sich nicht auch über jene lustig zu machen, wie im heutigen Evangelium, die davon nichts hielten. Er hat auch ganz unbescheiden daran festgehalten, dass Gott unbedingte Liebe und Barmherzigkeit ist, die man sich mit nichts verdienen kann, vor allem nicht mit dem, was man gewöhnlich vorweist, um Profilneurosen zu pflegen.
Demut, Bescheidenheit und Selbstbeschränkung sind Werte, die uns die sonst zu abstrakt scheinende Liebe lehrt. Aber sie lehren uns auch die offensichtlichen Grenzen eines ganz und gar unbescheidenen Wachstumsdenkens, das zerstörerisch und lebensfeindlich ist.
Alle Arten des Miteinanders, ob persönlich, gesellschaftlich, politisch, religiös oder international, gehören auf den Prüfstand dieser drei Werte, die immer größere Bedeutung gewinnen werden. Vordergründig könnten sie uns Angst machen, weil wir zu schnell mangelnde Lebensqualität und Einschränkungen für unsere grenzenlose Freiheit damit verbinden. Aber in Wirklichkeit machen sie uns auf eine ganz neue Weise frei von „Freiheiten“, die längst zu Zwängen geworden sind. Nein, erniedrigen muss sich niemand, wie es im Evangelium heißt. Das ist nicht erstrebenswert. Aber in diesem Wort stecken die drei Werte drin, wobei in dem Wort „erhöhen“ einfach Zukunft steckt.
Wo diese drei Werte Demut, Bescheidenheit und Selbstbeschränkung vorurteilsfrei eine Chance bekommen, wird sich Vieles verändern, persönlich, gesellschaftlich, kirchlich. Sie werden vor allem jene Werte fördern, nach denen sich so viele sehnen, auch unsere Mitgeschöpfe und unsere Erde: sie heißen Menschlichkeit, solidarisches Miteinander, Frieden, echte Wertschätzung auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Lebens, Hoffnung für die Geschöpfe und die Erde und für ein friedvolleres, weltweites Miteinander.
Dazu schenke uns Gott täglich seinen guten, heiligen und heilenden Geist. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)