(Jes 35, 4–7a; Jak 2, 1–5; Mk 7, 31–37)
Liebe Schwestern und Brüder,
wie schon oft gesagt und geschrieben, haben die 1. Lesung und das Evangelium in der Regel einen Bezug zueinander. Manchmal ist es freilich ein bisschen konstruiert. Ich bin mir auch nicht sicher, ob man das Erste Testament immer nur mit den Augen des Zweiten Testamentes lesen darf so, als hätte das Erste Testament nicht auch einen Eigenwert in sich. Ich bin ja ein Fan für die oft herrliche Bilderwelt des Ersten Testamentes, die mir manchmal näher ist als manch‘ hohe Theologie aus dem 2. Testament.
Und manchmal scheint mir auch, als ob uns offiziell das Schimpfen, Mahnen und Warnen überproportional näher liegt, als das Trösten und Aufrichten.
Welch‘ schöne und tröstliche Hoffnungsworte hören wir heute bei dem Propheten Jesaja! Nicht etwa Hoffnungsworte, die sich nur auf das sog. „ewige Leben“ beziehen und in mancher Einseitigkeit nicht selten eine Flucht vor dem Anspruch des Hier und Heute sind. Wenn sich Gott in seinen Propheten und Prophetinnen zu Wort meldet, dann ist es zuerst jener Satz aus der heutigen ersten Lesung, der da lautet: „Sagt den Verzagten: Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott, er selbst kommt und wird euch retten“ (V4). Was Jesaja dann in Gottes Namen schreibt, ist schier unglaublich: Blinde sehen, Taube hören, Lahme springen, Stumme reden, Wasser bricht inmitten der Wüste hervor….
Das sind nicht nur Bilder für die Seele, nicht nur welche, die eine himmlische Zukunft beschreiben. Nein, das sind Worte, die für jetzt gesprochen sind, die jetzt Hoffnung wecken wollen und erfahrbare, heilsame Veränderung.
Wenn man so will, und Gott will das wirklich!, so soll schon jetzt ein Stück Himmel auf Erden sein, die freilich so oft noch nicht Himmel ist. Und da ist doch Himmel, wo man heilsame Veränderung und Berührung erfährt. Erst, wenn wir das leibhaftig erfahrene Heil betont haben, können wir auch von der Seele sprechen, die freilich innigst mit dem Leib verbunden ist.
Denn es gibt viele Menschen, die Augen, Ohren, Mund und Herz aus Angst oder Traurigkeit verschlossen haben. Denn oft fehlen Orte, wo echte Begegnung möglich ist, wo offene Ohren und Herzen sind, die das, was einem wirklich zutiefst bewegt, nicht einfach als Quatsch abtun.
Niemand kann „Effata“ / „Öffne dich“ sagen, wenn er nicht zugleich einen Raum schafft, in dem man sich ohne Angst öffnen kann. Das geschieht auch nicht in der Menge, die keine Intimität zulässt. Nicht umsonst heißt es, dass Jesus den Menschen beiseite nimmt, von der Menge weg (Mk 7,33). Schon das allein ist nur im vertrauten Rahmen möglich, weil viele sonst Angst haben, mit der Stille und dem Alleinsein konfrontiert zu werden. Aber das ist leider oft nötig, um auf sich selbst zu hören und sich selbst zu finden.
Jesus ermutigt also den Menschen, sich zu öffnen, nachdem er ihn im wahrsten Sinne des Wortes berührt hat. Natürlich ist es Unsinn, zu verlangen, dass man niemanden davon erzählen soll. Denn schließlich wird das keinem verborgen bleiben. Aber manchmal sind heilsame Erfahrungen einfach zu kostbar und zu intim, um sie in alle Welt hinauszuposaunen, mal abgesehen davon, dass dies auch nicht heilsam ist.
Wenn es also jemanden gibt, der derart zuerst an unserem irdischen Heil für Leib und Seele interessiert ist, dann ist es Gott selber. Zugleich steckt da seine Hoffnung drin, dass das auch für jenen Himmel gilt, der der ewige ist. Diese Erfahrung wünsche ich uns allen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)