(Weish 7, 7–11; Hebr 4, 12–13; Mk 10, 17–30)
Liebe Schwestern und Brüder,
das ist schon eine komische Frage, die der Mann heute im Evangelium Jesus stellt, wenn er fragt. „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?“ (V17). Ich glaub, so würde heute kaum noch jemand fragen. Außerdem müsste man eh gleich antworten, dass man da gar nix tun kann. Denn Gottes Liebe und das Leben bei und mit ihm ist keine Erbangelegenheit, noch ein Verdienst, noch käuflich. Aber dieses Denken steckt uns schon ganz schön tief in den Knochen. Wie soll auch eine Liebe glücklich machen, die nicht bedingungslos geschenkt ist?
Dabei werden aber viele die Not des Mannes aus dem Evangelium verstehen, dass er trotz aller Rechtgläubigkeit, trotz allem korrekten, moralischen Lebenswandels unbefriedet bleibt. Was läuft da nicht richtig?
Unsere lieben Übersetzer aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzen leider immer wieder mal ziemlich unkorrekt und tendenziös, wenn sie statt „Weisungen“ „Gebote“ übersetzen und statt „du wirst“ sich für „du sollst“ entscheiden. Lieber macht man aus „Weisungen“ Gesetze, damit man besser Gehorsam einfordern kann, der gerne zur höchsten Tugend erhoben wird. Dieses Denken freilich offenbart ja auch ein bestimmtes Gottesbild, wie jedwedes Reden von Gott. Gottes Weisungen sollten aber ein gutes Leben in Verbundenheit mit Gott und untereinander ermöglichen. Aber was nützt dann alle Korrektheit, alles fleißige Bemühen, wenn es letztlich eine Flucht vor dem ist, was für den konkreten Menschen für sein Lebensglück erforderlich ist? Leider verhindert das große Vermögen des Mannes, dass er frei bleibt und nicht auf ein letztes Vertrauen, (auch Glauben genannt), sondern auf sein Vermögen setzt.
Übrigens steht im griechischen Original auch nicht, dass Jesus den Mann umarmte, sondern dass er ihn liebte. Weil er ihn liebte, durfte Jesus ihm diese unangenehme Wahrheit zumuten. Denn „Wahrheit, die nur weh tut, ist nicht wahr genug!“, so hieß es in einem Lied aus meiner Jugendzeit.
Ich wünschte einem jeden von uns einen Menschen, der im Raum der Liebe Wahrheiten sagt, die wir dann auch annehmen und die uns weiterbringen können, obwohl es natürlich weh tut.
Ich weiß, dass jetzt vielleicht auch viele, gut gemeint, sagen werden, dass nur ein Leben mit Gott glücklich machen kann. Und es wird genügend geben, bei denen das auch so zu sein scheint. Aber letztlich ist diese Aussage undifferenziert ein Schmarrn. Erstens lässt sich Gott für einen bloßen Seelenfrieden nicht missbrauchen und zweitens zeigt die Erfahrung, dass viele Gottsucher und Gottesfreunde lange Zeit im Unfrieden lebten, bevor ihnen beinahe grundlos und völlig überraschend ein Frieden geschenkt wurde, an den sie selber kaum noch glauben konnten.
Gerade unser Ordensvater Johannes vom Kreuz und viele andere auch lehren uns doch, dass „Besitz“ nicht nur den materiellen Reichtum meint. Wie viele sind „Reiche“ an Wissen, an vermeintlicher Erfahrung, an religiöser Leistung, an sozialem Engagement etc. und doch nicht Weise, weil sie im Letzten auch dadurch vor dem Sprung ins Vertrauen fliehen, weil sie versuchen, mit ihrer Art des Reichtums ihre innere Leere und Unerfülltheit zu verdecken.
Jesus hat schon recht, wenn er sagt: „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ (V 25).
Gott sei Dank, liebt Jesus nicht nur den Mann aus dem Evangelium, sondern auch jeden Einzelnen von uns und jeden Menschen überhaupt. Er braucht unseren Reichtum nicht, sondern unser bedingungsloses Vertrauen. Vielleicht ist die Sehnsucht danach und der Wunsch, freier von den Fesseln jeglichen Reichseins zu sein, schon der Beginn jener Weisheit, mit der viel Gutes zu uns kommt (siehe 1. Lesung). Und vielleicht stiftet das alles Gemeinschaft, in der wir einander wirklich Brüder, Schwestern, Mütter, Väter und Kinder sein können. Wie hieß es in Vers 27? „Für Gott ist alles möglich!“ Darauf zu vertrauen, kann doch in jeder Hinsicht sehr tröstlich sein. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)