(Jona 1–4; 1 Kor 7, 29–31; Mk 1, 14–20)
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn man sich ein neues Buch im Laden kaufen möchte, dann schaut man auf den sog. „Klappentext“, der eine besondere und kurze Form der Inhaltsangabe ist und vielleicht Lust auf mehr macht. Dann kauft man das Buch, weil man neugierig auf den ganzen Inhalt des Buches geworden ist. Vielleicht kann man die Texte im Lektionar manchmal ähnlich verstehen. Das kurze Stück aus dem Buch Jona heute sollten wir in jedem Fall als „Klappentext“ verstehen, um uns dem ganzen Jona-Büchlein zuzuwenden, das etwa im 4./3. Jahrhundert vor Christus entstanden ist. Es will freilich von Anfang an nicht als eine historische Geschichte gelesen und verstanden werden, sondern als eine Lehrerzählung, der es eben nicht zuerst um Umkehr, sondern um Gottes unbegreifliche Barmherzigkeit und Liebe geht. Wenn Gott Menschen und Völker auserwählt, dann nicht, um sie auszuzeichnen und von allen anderen abzugrenzen, sondern um an ihnen zu zeigen, was er für alle will. Gerade Ninive steht sozusagen symbolisch für eine sog. „gottlose“ Stadt – jedenfalls in den Augen vermeintlich Frommer – in der es keine Gerechtigkeit, kein Recht und kein liebevolles Miteinander mehr gibt. Wenn Jona im Namen Gottes Zerstörung ankündigt, dann nicht, weil Gott Freude daran hätte, sondern weil es ihm auch um das Leben jener geht, die mit ihm eigentlich gar nicht so viel anfangen können. Das Erstaunliche ist, dass die Einwohner von Ninive auf die Predigt des Jona hören und in ihm den sorgevollen Ruf Gottes erkannten. Manchmal spürt man ja auch, dass es so nicht weitergehen kann, wie z.B. auch was in unseren Tagen das stille Artensterben und den Klimawandel betrifft, aber man schafft es gewohnheitsmäßig nicht, die Kurve zu bekommen oder, religiös gesprochen, umzukehren. Jonas Umkehrpredigt kommt also gerade zur rechten Zeit und stößt das neue Denken und Tun an. Es ist eben nicht Gott, der Zerstörung will, sondern oft der Mensch selber, der gedankenlos und gierig zerstört. Gott will nicht nur das Leben einiger Auserwählter, er will das Leben aller seiner Menschenkinder und Geschöpfe.
Freilich vergeht die Gestalt dieser Welt, wie Paulus in der 2. Lesung an die Korinther schreibt. Das heißt aber nicht, dass wir die Welt verachten und nicht lieben sollen. Gott interessiert sich nicht für unsere Sonntagspredigten, ihn interessiert, wie wir uns am Ende ganz praktisch verhalten, ob wir eben dem Leben oder dem Tod dienen.
Auch Jesus verkündete das Leben und dass Gott überall da besonders nahe ist, wo man das Leben in allen seinen Formen liebt, wertschätzt und schützt. Darum beruft er auch keine wortgewandten Philosophen, sondern Fischer, die wissen, wie man ganz praktisch Netze auswirft und Fische fängt. Genau daran knüpft Jesus an und macht sie zu „Menschenfischern“, damit sie Menschen auffangen, Beziehungsnetze knüpfen, in denen man geborgen ist und dass sie im Namen Gottes heilsames, liebevolles und barmherziges Leben ermöglichen.
Jona wollte das am Ende nicht, weil es ihm mehr um sich selbst als um Gott und das Leben der Menschen und Geschöpfe ging.
Jesus ruft zwei Geschwisterpaare als erstes in seine Nachfolge aus ihrem gewohnten Leben, damit sie mit ihm Menschen für das Leben gewinnen. „Leben“ ist auch ein anderer Name für Gott, so wie Dankbarkeit, Friede, Liebe, Barmherzigkeit.
Mögen wir alle zu Menschenfischern werden, die Gottes Liebe und Barmherzigkeit ganz praktisch Tag für Tag durch die Kraft Seines Geistes erfahrbar machen dürfen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)