Pre­digt zum 21. Sonn­tag im Jah­res­kreis A (23.08.2020)

(Jes 22, 19–23; Röm 11, 33–36; Mt 16, 13–20)

Pre­digt von P. Tho­mas Röhr OCT — Audioversion

Lie­be Schwes­tern und Brüder,

Wie un­er­gründ­lich sind sei­ne Ent­schei­dun­gen, wie un­er­forsch­lich sei­ne We­ge“, so schreibt der hl. Pau­lus an die Ge­mein­de in Rom und Bir­ken­wer­der (Röm 11, 33). Aber stimmt das? Ist es nicht viel­mehr so, dass wir im­mer wie­der an die Gren­zen un­se­res Ver­ste­hens und un­se­rer Er­kennt­nis sto­ßen? Was weiß ich denn von Got­tes Ent­schei­dun­gen und We­gen? Und wie viel Un­heil ging und geht oft von Men­schen aus, die so ge­nau wis­sen, was Gott will und was er nicht will.
Wir le­ben zwar heu­te in ei­nem di­gi­ta­len Zeit­al­ter, wo uns je­der Zeit un­end­lich vie­le In­for­ma­tio­nen zur Ver­fü­gung ste­hen. Aber schlau­er wer­den und sind wir des­we­gen nicht. Eher er­schlägt uns die Flut an In­for­ma­tio­nen. Und schaut man, was Na­tur­wis­sen­schaf­ten, As­tro­no­mie, Psy­cho­lo­gie, Ge­ne­tik, Ge­hirn­for­schung etc. al­les ins Be­wusst­sein he­ben, dann geht uns eher auf, wie vie­les wir schlicht und er­grei­fend nicht wis­sen und ver­ste­hen. Da wird un­ser wirk­li­ches Wis­sen ver­gleichs­wei­se klein.
Vie­le be­zie­hen aus ver­meint­li­chem Wis­sen Si­cher­heit, set­zen auf be­lieb­te und weit ver­brei­te­te Schwarz-Weiß-Ma­le­rei. Aber der Rea­li­tät ent­spricht es nicht. Auch im Be­zug auf das Wis­sen be­schleicht uns das Ge­fühl des Kon­troll­ver­lus­tes und da­mit ver­bun­den ei­ne ge­wis­se und la­ten­te Le­bens­angst, der wir uns stel­len müs­sen.
Die Bi­bel hat ei­ne kla­re Ant­wort auf die­ses Pro­blem und setzt auf un­be­ding­tes Ver­trau­en, auch Glau­ben ge­nannt. Macht­miss­brauch in geist­li­chen Äm­tern ist meis­tens ein Zei­chen von Angst, der ei­gent­li­chen Ge­gen­spie­le­rin des Ver­trau­ens und nicht der in­tel­lek­tu­el­le Zwei­fel. Wir soll­ten al­so nicht zu­erst über Got­tes We­ge nach­sin­nen, son­dern über un­se­re ei­ge­nen und war­um wir aus­ge­rech­net die­sen Weg ge­wählt ha­ben. Auch uns stellt sich im­mer wie­der neu die Fra­ge, wer oder was ei­gent­lich das Ge­heim­nis Got­tes für uns ist, wo und wie es uns in der müh­sa­men All­täg­lich­keit des Le­bens be­rührt, was Je­sus uns be­deu­tet und ob er ei­ne Schlüs­sel­fi­gur un­se­res Glau­bens und Le­bens ist. Nicht Pe­trus ist der Fels, nicht die Kir­che, nicht un­ser Glau­bens­wis­sen, nicht un­se­re Fröm­mig­keit. „Fels“ kann nur un­ser Ver­trau­en in Got­tes lie­be­vol­les und zärt­li­ches Ge­heim­nis sein, das uns in Je­sus zum Schlüs­sel des Glau­bens ge­wor­den ist.
Und da­mit we­der Pe­trus, noch wir, all­zu stolz auf un­ser tol­les Glau­bens­be­kennt­nis sind, schiebt Je­sus im Evan­ge­li­um gleich hin­ter­her: „Nicht Fleisch und Blut ha­ben dir das of­fen­bart, al­so nicht dein ei­ge­nes Den­ken und Be­mü­hen, son­dern mein Va­ter im Him­mel!“ (Mt 16, 17)
Fällt es leicht, so sehr aus Gna­de zu le­ben, so ra­di­kal be­schenkt zu sein? Ver­mut­lich nicht, wo wir uns mehr auf uns, als auf Gott ver­las­sen möch­ten. Wenn wir uns aber von Gott das Ver­trau­en in un­se­re lee­ren, aber of­fe­nen, Hän­de und Her­zen le­gen las­sen, dann wird uns das zum Schlüs­sel­er­leb­nis ei­nes Ver­trau­ens, das uns wahr­haft „Fels“ in der Un­be­stän­dig­keit al­len ir­di­schen Le­bens sein kann. Die­ses Schlüs­sel­er­leb­nis wün­sche ich uns al­len, im­mer wie­der neu und schmerz­lich heil­sam. Amen.

P. Tho­mas Röhr OCT