(Ez 18,25–28; Phil 2,1–11; Mt 21,28–32)
Zur Hinführung und Segensgebet
Wir feiern heute unseren Erntedanksonntag. Wir sagen Dank für die Ernte und für alles, was uns Leben schenkt. Wir sagen Dank für alle, die Mühe, Zeit und Energie aufgewendet haben, damit wir Grund zum Danken haben. Vor allem aber sagen wir Gott Danke, ohne den es nichts gäbe, nichts leben, wachsen und gedeihen könnte. Alles ist ein Sakrament Seiner Liebe. In diesem Geist wollen wir die Gaben segnen, auch jene, die vor allem unser Herz und unsere Seele nähren:
Segnung der Erntegaben
Barmherziger Gott,
du hast Himmel und Erde erschaffen,
du bist der Urgrund allen Lebens.
Wir danken dir heute für die Ernte des Jahres,
für deine Erde, die wachsen lässt
und die uns am Leben erhält.
Wir danken dir für die Sonne, den Regen,
für die Pflanzen, die Tiere, für die Luft, die wir atmen.
Wir danken dir für Jesus, das Zeichen deiner Nähe.
Er ist der älteste Bruder aller Geschöpfe,
mit denen wir zutiefst verbunden sind.
Lass uns in seinem Geist der Dankbarkeit,
der Ehrfurcht und der Liebe wachsen.
So segne + diese Gaben,
stellvertretend für alles, wofür wir heute danken möchten.
Verbinde unsere Dankbarkeit mit dem Bewusstsein
der Verantwortung für deine Schöpfung.
Segne auch uns, damit wir zum Segen werden
und leben in Dankbarkeit.
Wir möchten Hüterinnen und Hüter
deiner Schöpfung sein.
Wir möchten ihr helfen, zu leben und zu gedeihen.
Wir möchten das Leben schützen
gegen den Untergang.
Im Namen des Vaters
und des Sohnes
und des Heiligen Geistes.
Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)
Zur Predigt
Liebe Schwestern und Brüder,
die biblischen Texte heute sind nicht eigens für den Erntedanksonntag ausgewählt. Es sind die Texte des 26. Sonntages im Jahreskreis, der heute auch gefeiert wird. In ihnen ist von persönlicher Verantwortung, von Liebe und Taten die Rede, ohne die Worte nur leere Hülsen bleiben. Ich denke, dass jeder Anregung finden wird, wenn er die biblischen Texte heute mit der Brille vom Erntedanksonntag lesen würde.
Ich selbst ertappe mich dabei, wie schwer es ist, Erntedank zu feiern, ohne an den Klimawandel und die Zerstörung und Schändung unserer Mutter Erde zu denken. Es irritiert mich zudem, dass ausgerechnet eher christlich geprägte Industrienationen Hauptverursacher dafür sind. In gewisser Weise hat biblische Theologie die Natur entsakralisiert und der tödlichen Habgier des menschlichen Herzens ausgeliefert, auch wenn das auf gar keinem Fall ihre Intention war. Dabei kann man eben nicht „Zuspruch aus Liebe, eine Gemeinschaft des Geistes, ein Erbarmen und Mitgefühl, ein einander in Liebe verbunden sein“ (Phil 2) denken, ohne nicht zugleich die Mitgeschöpfe und die Mutter Erde mit einzubeziehen. „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“ (Phil 2, 5) ist nicht nur eine fromme Betrachtung wert. Es ist eine Geisteshaltung , die sich nicht auf den Thron der Selbstherrlichkeit setzt, die sich nicht zu einem zerstörerischen Konstrukt von „Gott“ macht, sondern grundsätzlich auf Throne, hohe Rösser und ein falsch verstandenes „Krone der Schöpfung sein“ aus Liebe verzichtet. Gerade im Hinblick auf die Schöpfung ist Umkehr keine nur moralische oder religiöse Frage, sondern geradezu eine Überlebensfrage. Dankbarkeit, Liebe, Demut und Glaubensbekenntnisse müssen „Fleisch“ werden, d.h. sie müssen zu einem „Ja“ werden, das wirklich ein erfahrbares und veränderndes ist. Das kann man nicht nur immer den anderen predigen, das muss man vor allem selber leben. Sicher, Ezechiel appelliert an die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen. Aber auch Gemeinschaften, Religionen, Gesellschaften, Staaten haben Verantwortung. Nicht Gott bestraft uns mit Corona, Klimawandel, Naturkatastrophen und Kriegen. Meistens haben solche Dinge die Ursache in Herzen von Menschen, denen die Liebe abhandengekommen ist.
Wir bitten Gott also am Erntedanksonntag, dass unserem Dank lebensschützende und lebensförderliche Taten folgen, als Einzelne, wie auch als Gemeinschaften. Vielleicht ist es ja schon ein erster Schritt, wenn wir die Anzahl von Worten reduzieren und sie im Schweigen verdichten. Deswegen sage auch ich jetzt erst einmal „Amen“, obwohl es noch viel zu sagen gäbe.
P. Thomas Röhr OCT