1. Ad­vents­sonn­tag (29.11.2020)

(Jes 63, 16b-17.19b; 64, 3–7; 1 Kor 1, 3–9; Mk 13, 24–37)

Pre­digt von P. Tho­mas Röhr OCT — Audioversion

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
die bi­bli­schen Tex­te zum 1. Ad­vents­sonn­tag för­dern erst ein­mal nicht die sog. „Ad­vents­stim­mung“. So schön und wich­tig , wie die­se ist, geht es doch nicht zu­erst um schö­ne Ge­füh­le, son­dern um das be­wuss­te An­neh­men ad­vent­li­cher Exis­tenz. Da­zu ge­hört, dass wir wach und nüch­tern die sog. „Rea­li­tä­ten“ be­trach­ten und nicht vor ih­nen in Tag­träu­me oder Ähn­li­chem da­von­lau­fen. „Seid wach­sam“, wie es im Evan­ge­li­um heißt, be­deu­tet auch, seid acht­sam. Bleibt war­ten­de, of­fe­ne Men­schen, die um die Zer­brech­lich­keit des Le­bens wis­sen, um die Müh­sal im­mer neu ge­wag­ten Ver­trau­ens, das nicht ein­mal in Be­zug auf Gott ein für al­le­mal ge­wagt ist. Na­tür­lich wol­len wir al­le Glau­bens­hel­den sein und kei­ne Zwei­fel ha­ben, auch nicht im Be­zug auf das En­de al­ler Din­ge. Aber wir sind es nicht und kön­nen uns den Je­sa­ja aus der 1. Le­sung zum Vor­bild neh­men, der die Din­ge so aus­spricht, wie sie sind und sie nicht re­li­gi­ös ver­klärt oder ver­drängt. Wie wir, so wünscht sich auch Je­sa­ja, ei­ne deut­li­che­re Er­fah­rung der Ge­gen­wart Got­tes in den Nö­ten des Le­bens. Was für ein Fa­zit, wenn es in Jes 64, 6 heißt: „Nie­mand ruft dei­nen Na­men an, kei­ner rafft sich auf, fest­zu­hal­ten an dir!“ Denn nicht nur wir sind War­ten­de, Ad­vent­li­che – Gott ist es auch. Er sehnt sich im­mer nach un­se­rem Ver­trau­en, vor al­lem auch in den Un­be­greif­lich­kei­ten von Not, Kri­se und Leid. Wir, die wir uns oft ge­ra­de im­mer nur dann an Gott er­in­nern, wenn es uns schlecht geht, hal­ten ihm dann un­ser „War­um“ vor­wurfs­voll und fra­gend hin. Lei­der tun wir es so oft nicht, wenn es uns ein­fach nur gut geht. Zu­min­dest ha­be ich noch nie ein Schild in die­ser In­ten­ti­on ge­se­hen. Fast scheint es, dass es zu selbst­ver­ständ­lich ist und wir mei­nen, es ir­gend­wie ver­dient zu ha­ben. Gott sehnt sich nach un­se­rer Lie­be, gar nicht mal so sehr nach je­ner, die ihm gilt, son­dern nach je­ner, die un­se­ren Mit­men­schen und Mit­ge­schöp­fen gilt. Denn sie al­le, zu de­nen wir selbst ge­hö­ren, ha­ben ad­vent­li­che Sehn­sucht nach Wert­schät­zung und lie­be­vol­ler Zu­ge­wandt­heit. Ge­ra­de da kommt Gott uns ent­ge­gen, leuch­tet sein An­ge­sicht auf in je­dem An­ge­sicht, das wir zum Leuch­ten und lä­cheln brin­gen. „Du kamst dem ent­ge­gen, der freu­dig Ge­rech­tig­keit übt“, heißt es in Vers 4. Das be­deu­tet Wach­sam­keit und nicht schla­fend zu sein, dass wir Lich­ter der Lie­be ent­zün­den und schüt­zen und am Bren­nen hal­ten. Wie wert­voll und wie heil­sam sind ge­ra­de jetzt ein Lä­cheln und ein gu­tes Wort, ei­ne un­er­war­te­te Freund­lich­keit oder Rück­sicht­nah­me, das Ge­fühl, ge­se­hen, ge­ach­tet und wert­ge­schätzt zu sein.
Wie im­mer ein En­de oder die Voll­endung die­ser Welt aus­se­hen mag: sie wird ein Ge­schenk Got­tes sein, das uns je­ner über­reicht, der sich „Men­schen­sohn“ nann­te und sich am Kreuz für uns und für Gott zu To­de ge­liebt hat. Des­sen Ge­burt fei­ern wir Weih­nach­ten. Sei­ne lie­be­vol­le und ent­ängs­ti­gen­de Nä­he kann uns Tag für Tag Quel­le der Kraft sein.
„Gna­de sei mit euch und Frie­de von Gott, un­se­rem Va­ter, und dem Herrn Je­sus Chris­tus“ (1 Kor 1, 3). So sei es, so ist es. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)