4. Ad­vents­sonn­tag C (19.12.2021)

(Mi 5, 1–4a; Hebr 10, 5–10; Lk 1, 39–45)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
neu­lich schrieb mir ein be­freun­de­ter, re­li­gi­ons­frei­er Mensch, was sich denn wohl mein „Chef“ (Gott) bei all‘ dem heu­te so ge­dacht hat und wo­für wir be­straft wer­den. Mich er­schrickt im­mer wie­der, wie tief die­se Angst vor Got­tes Stra­fe im kol­lek­ti­ven Un­be­wuss­ten ver­an­kert ist. Mich macht es vor al­lem auch für Gott trau­rig, dass er in Not und Un­glück so oft gleich zur Re­chen­schaft ge­zo­gen wird und man ihm das gro­ße „War­um?“ un­ter die Na­se hält. Si­cher, wir ha­ben von Gott her al­le Er­laub­nis, ihm auch Fra­gen stel­len zu dür­fen, aber wir soll­ten auch im Be­zug auf ihn öf­ter die Kir­che im Dorf las­sen. Ich ha­be mei­nem Freund ge­ant­wor­tet, dass wir Men­schen viel­leicht erst ein­mal bei uns sel­ber nach­fra­gen soll­ten. Und ob es nicht Gott ge­gen­über auch un­ge­recht ist, wenn wir das „War­um?“ nur in der Not und nicht auch im Glück fra­gen. Mir scheint manch­mal, dass wir viel zu selbst­ver­ständ­lich und zu an­spruchs­voll al­les Glück ent­ge­gen­neh­men, oh­ne ein­fach mal „Dan­ke“ zu sa­gen oder „War­um?“ zu fra­gen, war­um es mir näm­lich ge­ra­de so gut geht? Wie dem auch sei, Gott ist schließ­lich kei­ne Ver­si­che­rungs­agen­tur ge­gen das Un­glück der Welt oder mei­nes pri­va­ten Le­bens. Und nie­mand kann sich mit Ge­be­ten und ei­nem wohl­an­stän­di­gen Le­ben bei Gott ver­si­chern! Aber ER ver­si­chert uns sei­ner Lie­be und Nä­he, im Glück oder im Un­glück. Das dür­fen wir auch zu Weih­nach­ten er­war­ten, nicht mehr, aber auch nicht we­ni­ger. Ei­ne Mut­ter, ein Va­ter, ein ge­lieb­ter Mensch kön­nen uns nicht ei­ne hei­le Welt ver­spre­chen und her­bei­zau­bern. Aber sie kön­nen lie­be­voll da sein, was im­mer auch ge­schieht. Ist das zu we­nig? Ist das nicht ein gro­ßes Glück? Fra­gen wir da auch „war­um?“? Das sind doch wun­der­vol­le Lich­ter in un­se­rem Le­ben. Das sind Ant­wor­ten, die gan­ze Bi­blio­the­ken er­set­zen. Sol­che Ant­wor­ten hat un­se­rer „Chef“, sonst „Gott“ ge­nannt, im­mer wie­der ge­ge­ben, gibt er sie auch heu­te und wird sie im­mer wie­der ge­ben. Die Bi­bel ist voll von sol­chen Er­fah­run­gen. Und je­der von uns hat sol­che Er­fah­run­gen schon ge­macht. Al­ler­dings sind die sel­ten spek­ta­ku­lär. Sie sind in der Re­gel spek­ta­ku­lär be­schei­den, so dass man sie ger­ne über­sieht und nicht wirk­lich wert­schätzt. Aber un­ser „Chef“ braucht kei­ne Lob­hu­de­lei, er freut sich, wenn es Men­schen gibt, die auch für das klei­ne Glück zu dan­ken wis­sen, die im Klei­nen, All­täg­li­chen und Müh­se­li­gen den gro­ßen Frie­den er­war­ten, so wie es in der 1. Le­sung heu­te bei Mi­cha hieß: „Und ER wird der Frie­de sein!“ (Mi 5, 4a) Er oder sie, je­ne al­so, die uns treu Tag für Tag ih­re Lie­be schen­ken, wie selbst­ver­ständ­lich und doch ein Wun­der des Him­mels. Sie sind es, die in ih­rer Lie­be vie­le Op­fer brin­gen, da­mit es den Ge­lieb­ten ei­ni­ger­ma­ßen gut geht. An­de­re Op­fer will Gott tat­säch­lich nicht. Nur Op­fer der Lie­be sind men­schen- und got­tes­wür­dig und ma­chen hei­lig, so wie es Gott in Je­sus wahr­ge­macht hat. Im Evan­ge­li­um gib es noch das Glück tie­fer Be­geg­nung, weil in dem Le­ben zwei­er un­schein­ba­rer Frau­en, Eli­sa­beth und Ma­ria, un­er­war­tet Gro­ßes pas­siert ist. Es geht um das Le­ben, das in uns ist und dar­um, dass wir al­le von Gott her im­mer ge­seg­ne­te sind und ein­an­der seg­nen und hei­li­gen mit der Lie­be, die uns ge­schenkt und mög­lich ist. Nein, der „Chef“ er­klärt uns nicht die Welt. Aber er ent­zün­det für ei­nem je­den von uns Lich­ter. Er mö­ge uns die Au­gen für je­ne Lich­ter öff­nen, die uns trotz und in al­ler Dun­kel­heit ge­schenkt sind. Auch da­für lasst uns jetzt und im­mer wie­der zwi­schen­durch ein­fach mal „Dan­ke“ sa­gen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)