(Mi 5, 1–4a; Hebr 10, 5–10; Lk 1, 39–45)
Liebe Schwestern und Brüder,
neulich schrieb mir ein befreundeter, religionsfreier Mensch, was sich denn wohl mein „Chef“ (Gott) bei all‘ dem heute so gedacht hat und wofür wir bestraft werden. Mich erschrickt immer wieder, wie tief diese Angst vor Gottes Strafe im kollektiven Unbewussten verankert ist. Mich macht es vor allem auch für Gott traurig, dass er in Not und Unglück so oft gleich zur Rechenschaft gezogen wird und man ihm das große „Warum?“ unter die Nase hält. Sicher, wir haben von Gott her alle Erlaubnis, ihm auch Fragen stellen zu dürfen, aber wir sollten auch im Bezug auf ihn öfter die Kirche im Dorf lassen. Ich habe meinem Freund geantwortet, dass wir Menschen vielleicht erst einmal bei uns selber nachfragen sollten. Und ob es nicht Gott gegenüber auch ungerecht ist, wenn wir das „Warum?“ nur in der Not und nicht auch im Glück fragen. Mir scheint manchmal, dass wir viel zu selbstverständlich und zu anspruchsvoll alles Glück entgegennehmen, ohne einfach mal „Danke“ zu sagen oder „Warum?“ zu fragen, warum es mir nämlich gerade so gut geht? Wie dem auch sei, Gott ist schließlich keine Versicherungsagentur gegen das Unglück der Welt oder meines privaten Lebens. Und niemand kann sich mit Gebeten und einem wohlanständigen Leben bei Gott versichern! Aber ER versichert uns seiner Liebe und Nähe, im Glück oder im Unglück. Das dürfen wir auch zu Weihnachten erwarten, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine Mutter, ein Vater, ein geliebter Mensch können uns nicht eine heile Welt versprechen und herbeizaubern. Aber sie können liebevoll da sein, was immer auch geschieht. Ist das zu wenig? Ist das nicht ein großes Glück? Fragen wir da auch „warum?“? Das sind doch wundervolle Lichter in unserem Leben. Das sind Antworten, die ganze Bibliotheken ersetzen. Solche Antworten hat unserer „Chef“, sonst „Gott“ genannt, immer wieder gegeben, gibt er sie auch heute und wird sie immer wieder geben. Die Bibel ist voll von solchen Erfahrungen. Und jeder von uns hat solche Erfahrungen schon gemacht. Allerdings sind die selten spektakulär. Sie sind in der Regel spektakulär bescheiden, so dass man sie gerne übersieht und nicht wirklich wertschätzt. Aber unser „Chef“ braucht keine Lobhudelei, er freut sich, wenn es Menschen gibt, die auch für das kleine Glück zu danken wissen, die im Kleinen, Alltäglichen und Mühseligen den großen Frieden erwarten, so wie es in der 1. Lesung heute bei Micha hieß: „Und ER wird der Friede sein!“ (Mi 5, 4a) Er oder sie, jene also, die uns treu Tag für Tag ihre Liebe schenken, wie selbstverständlich und doch ein Wunder des Himmels. Sie sind es, die in ihrer Liebe viele Opfer bringen, damit es den Geliebten einigermaßen gut geht. Andere Opfer will Gott tatsächlich nicht. Nur Opfer der Liebe sind menschen- und gotteswürdig und machen heilig, so wie es Gott in Jesus wahrgemacht hat. Im Evangelium gib es noch das Glück tiefer Begegnung, weil in dem Leben zweier unscheinbarer Frauen, Elisabeth und Maria, unerwartet Großes passiert ist. Es geht um das Leben, das in uns ist und darum, dass wir alle von Gott her immer gesegnete sind und einander segnen und heiligen mit der Liebe, die uns geschenkt und möglich ist. Nein, der „Chef“ erklärt uns nicht die Welt. Aber er entzündet für einem jeden von uns Lichter. Er möge uns die Augen für jene Lichter öffnen, die uns trotz und in aller Dunkelheit geschenkt sind. Auch dafür lasst uns jetzt und immer wieder zwischendurch einfach mal „Danke“ sagen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)