(1 Joh 3, 1–3; Mt 5, 1–12a; Lk 19, 1–10)
GottesSicht
Kaum jemand von uns käme auf die Idee, sich für heilig zu halten. Mal abgesehen von den Heiligenbiographien oder ‑legenden, hielten sich viele Heilige selber auch nicht für heilig, so jedenfalls kann man es oft in den Schriften der hl. Teresa von Àvila nachlesen. Offiziell kann man nur heilig werden, wenn es ein beglaubigtes Wunder gibt oder ein heroischer Tugendgrad vorliegt. Immerhin haben das bis 2004 laut dem Martyrologium Romanum 6650 Frauen und Männer geschafft, wobei der Anteil der Frauen bei etwa 30 Prozent liegt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Blickrichtung stimmt. Denn diese erscheint mir doch recht irdisch. Ohne die Leistungen der Heiligen schmälern zu wollen, müssen wir uns doch fragen, ob Gott! das alles auch so sieht. Wenn Jesus wirklich ganz und in besonderer Weise vom Geiste Gottes erfüllt war, dann überrascht schon sein bevorzugter Umgang mit sog. “Zöllnern und Sündern”. Ihnen vermittelte er die beglückende Erfahrung, dass sie vor aller heroischen Tugend in den Augen Gottes heilig sind und bleiben. Alle sind seine Töchter und Söhne, seine geliebten Kinder, denen er jedem Einzelnen in’s Stammbuch des Herzens schreibt: “Du bist mir heilig!” Das kann wahrlich Wunder bewirken und Lebensveränderungen herbeiführen, die zwar nicht unbedingt gleich aus Menschen Engel machen, aber auf jeden Fall Dankbarere, Liebevollere und Liebenswürdigere. Ich hoffe, dass wir den Mut aufbringen, diese Botschaft Gottes in unseren Herzen zu hören, anzunehmen und weiterzusagen: “Du bist mir heilig!”
(P. Thomas Röhr OCT)