Der HERR ist mein Hirt, *
nichts wird mir fehlen.
Er lässt mich lagern auf grünen Auen *
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
Meine Lebenskraft bringt er zurück. /
Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, *
getreu seinem Namen.
Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, *
ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir, *
dein Stock und dein Stab, sie trösten mich.
Du deckst mir den Tisch *
vor den Augen meiner Feinde.
Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, *
übervoll ist mein Becher.
Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang /
und heimkehren werde ich ins Haus des HERRN *
für lange Zeiten.
(Psalm 23)
Liebe Schwestern und Brüder,
der Psalm 23 ist wohl der bekannteste von den 150 Psalmen, die es im 1. Testament gibt. Oft wird er in Sterbestunden gebetet, aber auch in schweren Zeiten oder einfach so.
Angesichts dauernd deprimierender Nachrichten ist es für unsere Seele wichtig, positive Bilder innerlich zu bedenken und zu betrachten. Auch unser besonderes Totengedenken im doch häufig ungemütlichen Monat November soll uns nicht trübsinnig machen, sondern mit den grünen Zweigen und den Lichtern für unsere Gräber Hoffnung und Zuversicht geben und zum Ausdruck bringen.
Mit den schönen Bildern des Psalm 23 sollten wir in uns Kino machen. Diese Bilder beziehen wir auf unsere Verstorbenen, aber auch auf uns selbst.
Im Bild des Hirten drückt sich Vertrautheit aus, jemand, dem man sich anvertrauen kann. Dass uns darum nichts fehlen wird, können wir vielleicht so nicht ganz sagen. Aber auf unsere Verstorbenen trifft es voll und ganz zu. Sie „lagern auf grünen Auen“ immerwährenden Lebens und haben „Ruheplätze am Wasser“ des Lebens gefunden. Aber auch wir brauchen immer wieder solche grüne Auen und Ruheplätze, um unsere Seelen nachkommen und heilen zu lassen.
Wie schön klingt doch: „Meine Lebenskraft bringt er zurück!“ Die Verstorbenen hatten sie scheinbar im Sterben verloren, und auch wir leben manchmal am Limit unserer Lebenskraft. Öffnen wir unsere Herzen, damit Er uns die Lebenskraft zurückbringen kann.
Unsere Verstorbenen gehen nicht mehr „in finsteren Tälern“, wir immer wieder schon in Zeiten der Trauer, des Schmerzes, der Sorgen, Ängste und Nöte. Klar fürchten wir uns auch vor Unheil, aber es ist gut und tröstlich zu wissen, dass Jemand da ist, der mit uns geht, uns beschützt mit dem Stock und führt an engen Stellen mit seinem Stab.
Es ist doch total cool einen „Tisch vor den Augen der Feinde“ zu decken und gemütlich zu frühstücken oder zu Mittag zu essen. Das drückt totales Vertrauen aus, dass nichts passieren kann, wenn Er da ist. Und die „Feinde“ müssen nicht gleich Menschen sein. Das kann alles sein, was unsere Lebenskraft bedroht und rauben will. Dieser Not wissen wir unsere Verstorbenen entrissen.
Das „Haupt mit Öl zu salben“, ist nicht nur eine Sache der Schönheitspflege, sondern auch eine Therapie für jene Gedanken, die sich manchmal so unter dem Haupte und ins verängstige Herz quälend einnisten wollen. Das „Öl“ sollten, wie schon gesagt, auch gute Gedanken, Bilder und Erlebnisse sein. Übervoll soll der Becher des Lebens sein. Gott will kein verkümmertes oder kümmerliches Leben, sondern Lebensfülle für uns und all‘ unsere Verstorbenen.
Und schließlich ist „Heimkehren“ auch ein starkes Bild. Heimgekehrt und zur Ruhe gekommen sind unsere Verstorbenen. Wir sind oft ruhelos unterwegs und fühlen uns manchmal alles andere als Zuhause. Aber das Haus des Herrn ist das Haus seiner bleibenden Liebe, in dem unsere Verstorbenen für immer zu Hause sind.
Uns möge es jetzt und hier für möglichst „lange Zeit“ geschenkt sein. So möge dieser Psalm 23 uns und unsere Verstorbenen verbinden und Realität sein, die uns und unsere Verstorbenen trägt, tröstet und befreit. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)