(Lk 1, 26–38)
Liebe Schwestern und Brüder,
ein bisschen sind wir heutigen Menschen schon „geschädigt“, wenn wir nur glauben und für wahr halten wollen, was z.B. historisch ist. Dann können wir das Lektionar gleich zuklappen, denn die sog. „Verkündigung des Herrn“ ist freilich kein historischer Bericht. Der Evangelist Lukas verpackt in diese Geschichte wunderschöne Theologie und Glaubensüberzeugung, die ganz und gar auch ihre Wurzeln im 1. Testament hat.
Schon der Name des Engels „Gabriel“ ist Programm. Denn man könnte ihn mit „Kraft Gottes“ übersetzen. Ohne diese Kraft Gottes geschieht gar nix, mit ihr allerdings „ist nichts unmöglich“, wie wir in Vers 37 gehört haben.
Manche Neuanfänge können Angst machen, viel Kraft kosten oder gar unmöglich erscheinen. Das kann schon sehr demotivierend sein. Aber unser Glaube ist fast nichts, wenn wir nicht an die Wunder der Kraft Gottes glauben. Und es ist doch schön zu wissen, mit dieser Kraft rechnen zu dürfen, gerade wo wir mit unserem Latein am Ende sind.
Es sollte klar sein, dass sich Gott mitnichten in die Gefängnisse theologischer, moralischer oder religiöser Vorurteile einsperren lässt. Er ist kein Gott der Konventionen, die allein uns in ungewissen Zeiten beruhigen sollen. Nein, er ist ein unkonventioneller Gott, der eine Jungfrau vor der Ehe schwanger werden lässt und in einer alten, zudem noch unfruchtbaren, Frau neues Leben wachsen lässt. Auch hier gilt nicht die Frage, wie eine Jungfrau oder junge Frau ohne Zutun eines Mannes schwanger werden kann?! Bei Gott nämlich dürfen sich Frauen auch ohne Bezug zu einem Mann als Frau fühlen, definieren und ganz sein. Freilich ist dazu keine biologische Schwangerschaft vonnöten. Aber wer mit Gott „schwanger“ geht, trägt göttliches Leben und himmlische Liebe in sich. Viele Mystiker haben nicht umsonst behauptet, dass in Maria etwas über den Menschen ans sich ausgesagt ist, ob als Frau, Mann, Kind oder wie auch immer man sich selbst versteht und definieren möchte.
An Maria sehen wir auch, dass der Glaube nicht fraglos daherkommt, dass Zweifel erlaubt sind und uns Gott gerne überraschen kann.
Alles, was heute also im Evangelium zu Maria gesagt ist, ist einem jeden von uns gesagt. „Fürchte dich nicht“, Du, in Gottes Augen hast Du nicht nur Gnade gefunden, sondern bist Du etwas absolut Kostbares. Ja, das fällt Dir manchmal schwer zu glauben. Der Engel Gabriel wird Dir helfen. Aber nicht nur er. Denn der Heilige Geist selber heißt ja in Vers 35 „Kraft des Höchsten“. Mögen wir sie immer wieder neu erfahren und mit göttlichem Leben schwanger gehen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)