(2 Kön 4, 42–44; Eph 4, 1–6; Joh 6, 1–15)
Liebe Schwestern und Brüder,
ob die Brotvermehrung in der 1. Lesung mit dem Gottesmann Elischa oder die aus dem Evangelium mit Jesus: eines können wir für beide in jedem Fall festhalten: selbst, wenn nur Weniges geteilt wird, es reicht für mehr Menschen, als gedacht. Natürlich wird auch an Gott erinnert, der im Übermaß schenkt und wo am Ende gar mehr übrig bleibt, als eingesetzt war. Das soll uns nicht verwundern und schon gar nicht ablehnend machen, nein, es soll uns vertrauen lassen, dass Gott uns Leben im Übermaß gönnt und nicht knausrig im Geben ist. Und von mir aus mögen die fünf Gerstenbrote und zwei Fische des kleinen Jungen im Evangelium auch auf das Gesetz und die Propheten verweisen. Dennoch dürfen wir glauben und haben es auch schon erfahren, dass Geteiltes Wunder wirken kann.
Wir haben ja in der Einführung zu diesem Gottesdienst schon gehört, dass wir heute den 4. Welttag der Großeltern und Senioren begehen, den Papst Franziskus eingeführt hat. Und das finde ich richtig gut. Denn wie oft fragen sich Senioren, was ihr Leben noch für einen Sinn hat, da sie ja nichts mehr leisten können. Und wie schlimm ist es, wenn man mit Senioren nur noch eine Kostenfrage verbindet, so als hätten Senioren nicht auch ein früheres Leben als Nichtsenioren gehabt, in dem sie viel für das Gemeinwesen getan und auch eingezahlt haben.
Auch ohne einen solchen Welttag ist es also wichtig, den Großeltern und Senioren zu sagen und erfahrbar zu machen, wie wichtig ihr Dasein immer noch ist, unabhängig von Leistung und Geld. Ich weiß, dass es gar nicht so leicht ist, wirklich daran zu glauben, zumal man ja niemandem zur Last fallen will. Aber alle Eltern mit Kindern, die Großeltern in der Nähe haben, werden wissen, wie wichtig das Brot ihrer Zeit und ihres Daseins ist, nicht nur für die Eltern selbst, sondern auch für ihre Kinder. Ihre Liebe und ihr Vertrauen sind auch für die Großeltern wie Brot, für die sie aus tiefstem Herzen dankbar sind und die manche Großherzigkeit hervorbringt, über die Elternkinder manchmal nur staunen können.
Aber selbst, wer keine Enkel hat, lebt ja nicht beziehungslos und kann Brot geteilter Zeit und Aufmerksamkeit verschenken. Immer wieder erstaunlich ist es doch, wie sehr Menschen am Ende in der Not einander beistehen, wo viele eine Gesellschaft beklagen, in der jeder nur noch an sich selber zu denken scheint.
Machen wir doch unseren Großeltern und Senioren nicht nur wortreich, sondern auch strukturell und ganz praktisch erfahrbar, welch‘ ein Schatz sie für uns sind und bis zum letzten Atemzug liebenswert und liebenswürdig bleiben. Vielleicht verbittern manche Senioren auch, weil ihnen niemand mehr sagt und erfahrbar macht, wie schön es ist, dass es sie noch gibt.
In der 2. Lesung aus dem Épheserbrief hieß es: „ertragt einander in Liebe“ (Eph 4, 2). Ja, manchmal mag es auch ein „ertragen“ sein. Aber lasst uns einander „tragen“, in Freud, wie im Leid, und so Brot füreinander sein. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)