(Sir 24, 1–2.8–12; Eph 1, 3–6.15–18; Joh 1, 1–18)
Liebe Schwestern und Brüder,
nun, das neue Jahr wird wohl nicht völlig anders weitergehen, als das alte war. Trotz so mancher guter Vorsätze holt uns das reale Leben immer wieder ein. Und das sog. „reale Leben“ hat immer viele Facetten. Vielleicht wäre es ja ein guter Vorsatz, das Leben in seinen Widersprüchlichkeiten anzunehmen, so gut es eben geht. Viel Leid entspringt nämlich auch daraus, dass man Widersprüchlichkeit auflösen will und das Leben nur akzeptiert, wenn es so aussieht, wie wir wollen. Da muss man andere immer überfahren, schlimmstenfalls sogar gewaltsam unterdrücken.
Ohne Zweifel, das Leben ist oft nicht einfach, in der Regel nur einfach in der Theorie. Das betrifft natürlich auch unseren Glauben, der mehr sein sollte als nur Katechismuswissen oder/und dogmatisches Bollwerk gegen die ach so „böse Welt“. Glauben hat mit Vertrauen zu tun, und das ist immer wieder bedroht durch Misstrauen und Angst, egal, in welchen Zusammenhängen Vertrauen gerade gewagt wird.
Laut Johannesevangelium heute, hat es der „liebe Gott“ mit uns auch nicht leicht. Irgendwie tun sich die Menschen mit dem Geheimnis Gott schwer. Wir sollten in diesem Zusammenhang nicht gleich an „die anderen denken“, an die Zweifler und Suchenden, auch nicht an jene, die mit „Gott“ nichts anfangen können. Als Menschengeschwister müssen sie wie wir immer wieder neu um Vertrauen ringen. Und da sind sie den sog. „Gläubigen“ keineswegs unterlegen. Denn die scheinbar sicher Glaubenden stützen sich gerne auf ihre Frömmigkeit, auf ihre Kirchen- und Papsttreue, auf ihre felsenfesten Überzeugungen. Aber mehr Vertrauen haben sie damit auch nicht unbedingt.
Das Schöne und Tröstliche an Gott ist doch, dass er seine Nähe und Liebe zu uns, die wirklich unbegreiflich und ganz und gar göttlich ist, nicht davon abhängig macht, ob uns das Vertrauen gelingt oder nicht. Wir dürfen mit Sicherheit auf die Unterstützung seines Geistes hoffen und darauf, dass wir am Ende „aus Gott geboren“ (Joh 1, 13) sind. Denn das Wunder der Gotteskindschaft ist keine Sache der Vererbung, keine Sache der Machbarkeit oder des Willens, nicht einmal eine Sache der Taufe, die keinen Automatismus kennt. Wer sich als Tochter oder Sohn Gottes verstehen lernt, hat nicht nur eine unendliche Würde, die sich niemand verdienen kann und muss. Nein, oder ja, der ist selbst zu einer Krippe geworden, in der Gott zur Welt kommen kann und mit ihm jenes Vertrauen, das nicht nur Gott und einem selbst gut tut, sondern allen, mit denen wir leben, ja, der ganzen Schöpfung.
Die Welt bleibt widersprüchlich, wir Menschen auch. Aber wo das Licht des Vertrauens mit Gottes Hilfe zu leuchten beginnt, da wird die Welt eben doch ein bisschen heller und heiler. Da lächelt uns Gottes Gegenwart mitten aus der Krippe aller Widersprüchlichkeiten mit dem leuchtenden Angesicht eines Kindes an. Und das kann dann einfach nur Weihnachten sein, in welchem Monat auch immer. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)