(Jes 6, 1–8; 1 Kor 15, 1–11; Lk 5, 1–11)
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn Gott beruft, dann muss man nicht gleich dafür ausgebildet sein, noch bedarf es dazu einer Weihe. Die Fixierung darauf und der Verweis darauf, dass sie „besondere Berufungen“ seien, sind nicht ganz unproblematisch. Denn damit verbindet man oft Werturteile und nicht selten auch Machtfragen.
In allen drei Texten wird berichtet, dass sich Berufene unwohl, ja, als sündig empfinden. Und das ist auch gut und nötig so. Denn niemand wird berufen, weil er so toll ist, noch weil er es auf irgendeine Weise verdient hätte, schon gar nicht, um auf der Karriereleiter ein ganzes Stück nach oben zu kommen.
Gott beruft bedingungslos und beschenkt einen maßlos, bevor wir überhaupt einen Pieps gesagt haben. Jeder, der eine bedingungslose Liebe erfährt, fühlt sich irgendwie zuerst einmal ihrer unwürdig. Aber das sollte nicht das vorherrschende Gefühl bleiben, sondern Dankbarkeit, Demut und Liebe, die Gott uns ins Herz legen muss. Ansonsten kann man kein „Menschenfischer“ sein, also jemand, der andere Menschen auffängt und ihnen hilft, lebendig zu sein. Und jeder muss sagen und es auch so fühlen, wie es der heilige Paulus formuliert: „durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Wenn das doch alle in der Praxis alltäglichen Lebens nicht vergessen würden.
Was mich heute noch bei Paulus stört, sind zwei Dinge. Auch wenn es schon um 55 n.Ch. überlieferte Formeln gab, so ist die Formulierung „für unsere Sünden gestorben“, problematisch und einseitig. Dass Gott die unfassbare Sündenlast der Menschheit beiseiteschiebt, ist unbegreiflich. Aber sicher lässt Gott Jesus dafür nicht sühnen. Aber ich bin froh, dass Gott so unbegreiflich barmherzig ist. Und darüber muss jeder!froh sein, vom Papst bis zur letzten Kirchenmaus.
Das Johannesevangelium wird den Tod Jesu als „Liebe bis zum Äußersten“ deuten, was mir persönlich natürlich mehr gefällt, schon um Gottes willen.
Da hat sich Jesus gleichsam zu Tode geliebt.
Aber es gibt noch ein Zweites, was mich bei Paulus ziemlich ratlos zurücklässt. Er erwähnt etwa 20 Jahre nach Jesu Tod mit keinem Wort die Auferstehungszeuginnen, also Maria Magdalena, Johanna, Maria, die Mutter des Jakobus und die übrigen Frauen, wie es im Osterevangelium nach Lukas heißen wird. Wie kann es sein, dass sie total unter den Tisch gefallen sind? Gott sei Dank, haben die Evangelien etwa 30/40 Jahre später die Erinnerung an diese Frauen gerettet. In der Praxis des Christentums ist man allerdings mehr dem hl. Paulus gefolgt, so scheint es jedenfalls.
Mögen doch auch die Berufungen der Frauen mehr wertgeschätzt werden, (nicht nur der Ordensfrauen), und auch die vielen, die nicht mit Weiheämtern verbunden sind. Dann sähe es in der Kirche vielleicht heute ganz anders aus. Möge Gottes Geist uns Gottes Weite, Freiheit und Vielfalt schenken. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)