Ein­füh­rung und Pre­digt zum Palm­sonn­tag (05.04.2020)

(Jes 50, 4–7; Phil 2, 6–11; Mt 21, 1–11)

Ein­füh­rung

Esel
Kir­che St. The­re­sia Palm­sonn­tag 2020 © P. Tho­mas Röhr OCD

Mit dem Palm­sonn­tag be­ginnt die sog. „Hei­li­ge Wo­che“. Im Mit­tel­punkt steht der Ein­zug Je­su in Je­ru­sa­lem. Die Pas­si­on, die ei­gent­lich zu Kar­frei­tag ge­hört, rückt das zu sehr in den Hin­ter­grund. Es ist zu über­le­gen, ob man die Pas­si­on am Palm­sonn­tag ganz weg­lässt und sich statt­des­sen auf den Ein­zug Je­su be­schränkt.
Zwei Sym­bo­le sol­len den Tag prä­gen. Das ist ein­mal das ge­schmück­te Kreuz als Zei­chen der Hoff­nung, dass im Tod Je­su neu­es Le­ben auf­bricht. Und das ist zum an­de­ren die Ese­lin aus dem Evan­ge­li­um, die in wun­der – und lie­be­vol­ler Wei­se die Hal­tung Je­su zum Aus­druck bringt. Da könn­te man den Esel von un­se­ren Krip­pen her­vor­ho­len und zum ge­schmück­ten Kreuz stel­len. Und dann le­sen Sie noch­mal das Evan­ge­li­um vom Ein­zug und schau­en das Kreuz und den Esel ein­fach dank­bar an.

Zur Pre­digt

Als Je­sus in Je­ru­sa­lem ein­zog, „er­beb­te die gan­ze Stadt“, so heißt es bei Mt 21,10. Bei „Be­ben“ den­ken wir an Erd­be­ben. Da fängt plötz­lich der schein­bar fes­te Bo­den an zu wa­ckeln, Men­schen ver­lie­ren ih­ren Halt, schein­bar fes­te „Häu­ser aus Stein“ fal­len in sich zu­sam­men. Das Co­ro­na­vi­rus ist auch wie ein Be­ben, das die gan­ze Welt er­fasst hat. In die­se sor­gen­vol­le Zeit hin­ein fei­ern wir al­so Palm­sonn­tag, oh­ne uns re­al zu ver­sam­meln, oh­ne ge­mein­sa­me Pro­zes­si­on. Auch das ist wie ein Be­ben, dass ver­mut­lich vie­le sehr er­schüt­tert. Di­gi­tal kann das nicht an­nä­hernd auf­ge­fan­gen wer­den.
Trotz­dem: auch wenn wir uns nicht tref­fen kön­nen, trifft ER ein! Oh­ne­hin will er im­mer da ein­zie­hen, wo das Je­ru­sa­lem un­se­res All­tags ist. Nicht in ei­ne er­träum­te, hei­le Welt, son­dern in die, wie sie für uns ge­ra­de ist. Hoch zu Ross er­scheint er nie. Auf Sta­tus­sym­bo­le legt er kei­nen Wert. Er kommt auf ei­ner Ese­lin (nach Mat­thä­us) und er­füllt da­mit ei­ne Pro­phe­tie des Sachar­ja. Denn er kommt nicht mit angst­ein­flö­ßen­den Macht­sym­bo­len, son­dern mit dem Sa­kra­ment der Ese­lin, weil sie am bes­ten sei­ne Sanft­mut zum Aus­druck brin­gen kann.
Die Men­schen ru­fen „Ho­si­an­na“, was so viel be­deu­tet wie: „Bring doch Hil­fe!“ Und das wer­den heu­te vie­le welt­weit ru­fen. Aber wor­in be­steht sei­ne Hil­fe? Er zau­bert nicht ein­fach al­les Elend, al­le Co­ro­na­vi­ren, hin­weg, aber er ist da in al­ler Sanft­mü­tig­keit und Lie­be, die uns, trotz al­lem, be­geg­net und un­ser Herz er­füllt.
Im­mer wie­der muss ich in die­ser sog. „Hei­li­gen Wo­che“ dar­an den­ken, wie Je­sus im Jo­han­nes­evan­ge­li­um sagt: „Wer mich ge­se­hen hat, hat den Va­ter ge­se­hen!“ (Joh 14,9) Es ist schon er­schüt­ternd ge­nug, wie Men­schen oft mit­ein­an­der um­ge­hen. Aber in Je­sus sieht man auch, wie Men­schen mit Gott um­ge­hen. Wenn es im 1. Jo­han­nes­brief 4,8 heißt: „Gott ist die Lie­be“, dann ist die Hei­li­ge Wo­che auch das Schick­sal der Lie­be, die aber Os­tern für im­mer und ewig über al­lem steht und bleibt.
Vie­le re­li­giö­se Men­schen und re­li­giö­se „Wür­den­trä­ger“ be­den­ken oft nicht, dass ihr kon­kre­tes Ver­hal­ten, dass die Rös­ser der Macht, des ab­so­lu­ten Wahr­heits­an­spru­ches, der Recht­ha­be­rei und Selbst­ver­göt­te­rung, auf de­nen sie sit­zen, Aus­druck ih­res (schreck­li­chen) Got­tes­bil­des sind. Wer auf ei­nem Esel rei­tet, ver­zich­tet dar­auf und ist na­tür­lich im­mer in der Ge­fahr, selbst ein Esel ge­nannt zu wer­den, weil, „re­al“ und „ver­nünf­tig“ ge­dacht, die Lie­be nichts bringt, schon gar kei­nen Pro­fit oder Wür­den, die be­wun­dert und be­weih­räu­chert wer­den könn­ten.
Mein Firm­pa­ten­kind schrieb in ei­nem ähn­li­chen Zu­sam­men­hang ein­mal da­von, dass wir doch al­le Wür­den­trä­ger sind. Wie recht sie hat! Das Got­tes­bild näm­lich, dass Je­sus ge­lebt hat, schenk­te vie­len ei­ne Wür­de, die im­mer wie­der von selbst­er­nann­ten Wür­den­trä­gern den vie­len ab­ge­spro­chen wur­de, weil sie durch ihr Le­ben und Schick­sal ih­re re­li­giö­se Sys­tem­re­le­vanz an­geb­lich ver­lo­ren hat­ten. Je­sus schenk­te ei­ne Wür­de, die je­dem, un­ab­hän­gig von sei­nen Leis­tungs- und Selbst­recht­fer­ti­gungs­or­den, durch Got­tes un­be­ding­te und un­ver­dien­ba­re Lie­be zu­kommt. Macht­miss­brauch, angst­ver­brei­ten­de Herr­schaf­ten und Emi­nen­zen, kann es in der Nach­fol­ge Je­su nicht ge­ben. Ich weiß nicht, war­um wir den Lie­bes­schrei Got­tes nicht hö­ren und ver­ste­hen? Ich weiß nicht, war­um der Gott der Lie­be schein­bar den Not­schrei so vie­ler Men­schen und Ge­schöp­fe nicht hört? Ich „weiß“ nur, dass mich auch die Ese­lin heu­te dar­an er­in­nert, das Trotz­dem­ver­trau­en zu wa­gen, dass näm­lich al­les, wirk­lich al­les, in Sei­ner gro­ßen, un­be­greif­li­chen Lie­be ein­ge­schlos­sen ist und bleibt, ei­ner Lie­be, die be­reit war, die Kos­ten al­ler Lieb­lo­sig­kei­ten, Nö­te und Ängs­te zu tra­gen. Da­für bin ich jetzt ein­fach nur un­end­lich dank­bar, wenn ich das ge­schmück­te Kreuz und den Esel so an­schaue. Amen.

Eu­er / Ihr
P. Tho­mas Röhr OCD