(Jes 42, 5a.1–4.6–7; Apg 10, 34–38; Mk 1, 7–11)
Liebe Schwestern und Brüder,
mit dem „Fest der Taufe des Herrn“ endet die Weihnachtszeit und beginnt bis zur Fastenzeit die sog. „Zeit im Jahreskreis“.
Auch die Taufe Jesu folgt der weihnachtlichen Botschaft von der berührenden Nähe eines Gottesgeheimnisses, das Menschwerden und Menschsein in einer Weise vormacht, wie es menschlicher nicht sein kann. Das ist wirklich göttlich!
Vielleicht ist uns manchmal gar nicht mehr so recht klar, wie weit unsere Gottesvorstellungen von dem entfernt sind, wie Gott sich selber in den biblischen Geschichten vorstellt. In der Regel gehen wir von Macht und Größe aus, die eher sehr „menschlich“ als göttlich sind, „menschlich“ allerdings im Sinne von Mächtigen dieser Welt, die ganz genau wissen, wie man Macht und Autorität für eigene Zwecke missbrauchen kann. Sie pochen dann gerne vor allem auf die Tugend des Gehorsams, statt auf die Tugend der Liebe.
Religiös betrachtet waren ja schon die Umstände der Geburt Jesu ein Skandal, wenn man sie mit allgemeingültigen Gottesvorstellungen abgleicht. Die Taufe Jesu setzt da noch Einiges drauf. Wie kommt Jesus, der Sohn Gottes, dazu, sich in eine Reihe mit Sündern und umkehrwilligen Menschen zu stellen? Hat er sich da aus Versehen mit angestellt? Hat er vielleicht gar nur so getan als ob, um uns zu beeindrucken und uns einmal mehr Gottes Größe besingen zu lassen, die sich ja so klein macht? Doch geht dieses Erstaunen nicht wieder von einer vorgestellten Größe aus, mit der Gott so gar nix am Hut hat, wenn er denn einen auf hätte? Schon Weihnachten haben wir gefeiert, dass Gott uns so menschlich nahegekommen ist.
Die Taufe Jesu zeigt einmal mehr, wo Gott in Jesus wirklich steht: nämlich bei den Menschen, und zwar bei Menschen, die geliebte Sünder sind. Gott ist nicht bei uns von oben herab, nicht auf einem Thron, vor dem wir niederzuknien haben. Gott ist auch nicht auf dem Richterstuhl des Oberstaatsanwalts, der uns auf unsere Fehler, Sünden und unser Versagen festlegt und sie uns beleidigt bis zum ewigen Gericht nachträgt. Nein, Gott ist in Jesus bei uns als Bruder Sünder, der um den wirklichen Menschen weiß, der wir alle unterschiedslos sind. Es ist jener Mensch, der lieben und hassen, Leben schützen und vernichten, der unglaublich hart, aber auch unglaublich zärtlich sein kann. Diesen Menschen, also uns wirklich, will er nahe sein, will er uns wenigstens ein bisschen Vertrauen entlocken, dass wir, so wie wir wirklich sind, trotzdem unendlich Geliebte sind. Es geht Ihm doch nicht um unser oft einseitiges Verständnis von Heiligkeit, die eher an religiösen Leistungssport, denn an Liebesverrückte erinnert. Es geht Ihm nicht um eine Kirche, die nur um sich selber kreist und Moral und Dogmatik in ihre Mitte stellt, anstatt den konkreten Menschen in seiner Gebrochenheit und Verletzlichkeit. Das nämlich heißt, mit Heiligem Geist getauft zu sein (Jes 42, 1; Apg 10, 38; Mk 1, 8b), wo das geknickte Rohr nicht zerbrochen und der glimmende Docht nicht ausgelöscht wird (Jes 42, 3), wo nicht auf die Person geschaut wird (Apg 10, 34), wo nicht vor allem Gehorsam verlangt wird, sondern wo man in aller Demut um Vertrauen wirbt. Da ist der Heilige Geist am Werk, wo blinde Augen und Herzen wieder Hoffnung und Liebe sehen, wo Gefangene ihrer selbst zu Liebe und Solidarität befreit, wo Menschen aus dem Dunkel von Liebelosigkeit in das Licht der Wertschätzung und des bedingungslosen Geliebtseins geführt werden (Jes 42, 7).
All das ist in die Botschaft von der Taufe Jesu eingeschlossen, all das wird Jesus leben und verkündigen. Darum heißt ihn Gott „seinen geliebten Sohn“ – und das ist in Jesus jeder, Tochter und Sohn Gottes, jene eben, die nicht mit Wasser, sondern mit Gottes Heiligem Geist getauft sind. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)