(Hos 2, 16b.17b.21–22; 1 Kor 11, 23–26; Joh 13, 1–15)
Liebe Schwestern und Brüder,
„da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (V1), so heißt es am Beginn des Evangeliums heute. Man könnte auch übersetzen, dass er ihnen seine Liebe bis zum Ende erwies. Ich bin froh, dass das Johannesevangelium den Weg Jesu bis zum Kreuz als Weg der Liebe deutet und nicht als Opfer oder Sühne für die Sünden. Letzteres rückt Gott in ein Bild, das zumindest nicht ganz unproblematisch ist.
Jesus unterstreicht also seine Lebenshaltung im Namen Gottes als eine Haltung der Liebe und bringt das in prophetischen Zeichen auf den Punkt. Auch hier geht der Evangelist eigene Wege und deutet diese Liebeshaltung nicht in Brot und Wein, sondern in der Fußwaschung. Dazu muss man sich hinknien, also kleiner machen, um die Füße waschen zu können. Menschen, die gerne hoch zu Ross oder auf Thronen sitzen, um auf andere Menschen herabblicken zu können, würden nie auf solch eine Idee kommen.
Wie man angesichts der Fußwaschung zu einer angeblich gottgewollten Hierarchie, also einer „heiligen Herrschaft“, kommen kann, ist mir rätselhaft. Vermutlich passt da auch kein Thron hin, von dem es sich schlecht die Füße anderer waschen lässt.
Wenn man so will, dann müsste man auf die Frage Jesu an seine Jünger: „Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“ klar mit „nein“ antworten. Es genügt eben nicht, die Fußwaschung rein äußerlich nachzuspielen, wenn sie nicht wirklich eine innere Haltung zum Ausdruck bringt. Es genügt auch nicht, diese einfach zu behaupten, ohne dass sie in der Alltäglichkeit des Lebens sichtbar und erfahrbar wird, ohne dass sie auch radikal Strukturen verändert, die ja oft angeblich heiliger und gottgegebener werden, je länger man sie praktiziert.
Natürlich sollten nicht nur die Jünger und ihre Nachfolger begreifen, was Jesus mit der Fußwaschung ausdrücken wollte. Das sollte für jeden Maßstab des Denkens, Fühlens und Handelns sein, der Jesus nachfolgen möchte.
Dass wir anderen die Füße waschen, kommt in der Praxis des Lebens eher selten vor. Anderen den Kopf zu waschen, schon eher und häufiger. Das geschieht problem- und lieblos oft in der Anonymität sozialer Medien, aber eben auch im Alltag des Lebens, besonders wenn die Nerven blank liegen.
Doch auch heute möchte ich mehr auf jene Menschen hinweisen, die Tag für Tag Fußwaschung leben, ohne dass ihnen das selber überhaupt bewusst sein muss. Das hat auch primär gar nix mit Religion zu tun, sondern eben mit jenem Geist der Liebe, den uns Jesus bis zur Vollendung erwiesen hat. Und diesen Geist sehe ich in vielen Menschen, auch jenen, die mit Religion nix am Hut haben. Nicht umsonst heißt es ja, dass der Geist weht, wo er will und nicht nur da, wo wir es ihm erlauben.
Ich sehe diesen Geist der Fußwaschung z.B. bei Menschen, die bis an den Rand ihrer Kräfte Angehörige bzw. alte Eltern pflegen und begleiten. Ich sehe ihn bei Alleinerziehenden, ich sehe ihn bei Menschen, die still und leise und gar nicht medienwirksam zärtliche Worte sprechen, die Freundlichkeit und Menschlichkeit leben, die nicht nur über die kalte Welt jammern und klagen, sondern sich ein Leinentuch umgürten und ganz praktisch im Kleinen die Welt zum Besseren verändern.
Ja, es gibt viele, die so handeln, wie Jesus gehandelt hat, und vielleicht gehören wir manchmal auch dazu. In jedem Falle gehört ihnen allen heute in Jesu Namen und Geist ein tiefes „Danke“, weil sie zu einem Sakrament jenes Menschenbruders werden, an dessen Liebe bis zur Vollendung wir besonders heute und in den kommenden Tagen denken und dankbar sind. Amen.
(P. Thomas Röhr OCD)