(Num 6, 22–27; Gal 4, 4–7; Lk 2, 16–21)
Liebe Schwestern und Brüder,
am Beginn des neuen Jahres steht immer der sog. „Aaronitische Segen“ aus dem Buch Númeri, den Priester zwar sprechen sollen, aber der eigentlich Segnende ist und bleibt immer Gott selber. Dieser Segen ist kurz, doch findet er schöne Worte, die noch nach über 2000 Jahren zu Herzen gehen, trösten und ermutigen können.
Auch ohne Corona ist unsere Welt kein Paradies, gibt es vieles, was uns ängstigen und Sorgen machen kann. Da ist Gottes Segen wirklich ein Segen, weil er Schutz und Geborgenheit verheißt. Er verheißt uns nicht ein sorgenfreies, problemloses Leben, sondern ein Leben, das nicht ohne Segen und Seine Sorge um uns ist, in lichtvollen, wie in dunklen Tagen. Dieser Segen ist oft vermittelt durch andere Menschen, durch andere Lebewesen, durch andere Geschöpfe, durch tiefe, innere Erfahrungen. Auch wir selbst können so zum Segen Gottes werden, ohne dass uns das ausdrücklich bewusst ist. Segnen ist also kein Privileg von Priestern, sondern eine Berufung, die wir alle haben (1 Gen 12,2; 1 Petr 3,9).
In unserem Klostergarten stehen zwei Wildkirschen, die uns jedes Jahr mitten im Dezember mit ihren Blüten segnen. Eigentlich ist das gar nicht möglich, wie mir als Laie scheint, aber es ist so. Dass ein leuchtendes Angesicht ein Segen ist, erfahren wir alle in freundlicher und liebevoller Zugewandtheit, vor allem dann, wenn sie überraschend und unerwartet ist. Das passiert mir immer wieder bei meinen Waldspaziergängen, wenn jemand meinen Gruß freundlich und mit strahlendem Gesicht erwidert. Das macht einem selbst hell und geht einem noch lange wohltuend nach. Es gibt aber auch das Gegenteil, wo Menschen so tun, als hätten sie einen gar nicht bemerkt. Da leuchtet dann nichts. Wenn also ein Angesicht leuchtet, dann erleuchtet es tatsächlich den ganzen Menschen und zaubert ein eigenes, leuchtendes Angesicht herbei. Oder wenn eine Kohlmeise still in dem Strauch vor meinem Fenster sitzt und mir am Schreibtisch zuschaut, dann berührt mich das wie ein Segen, dann ist das ein Segen. Und so gibt es ganz viele „Aaronitische Segen“ ringsherum, ohne dass wir sie als solche wahrnehmen. Darum ist unsere Weltsicht manchmal einfach zu pessimistisch, weil wir den großen, liebevollen Segen Gottes in den kleinen nicht wahrnehmen und manchmal auch nicht wertschätzen.
Ich wünsche uns am Beginn des neuen Jahres Herzaugen, die Segen bemerken und Segen schenken können, trotz und in allen sog. „Realitäten“, die man ja deswegen nicht ausblenden muss. Der Friede Gottes ist kein fauler Friede, er hält sogar mitten im Unfrieden, wie die deutschen Mystiker (14. Jahrhundert, z.B. Meister Eckhart) einmal schön formulierten.
Möge uns also der „Aaronitische Segen“ zur Erfahrung werden. Das wünsche ich euch und Ihnen im Namen meiner Mitbrüder und des Homepage-Teams von Herzen.
Euer / Ihr
P. Thomas OCT
Segen zum neuen Jahr
Gott, Ursprung und Ziel allen Lebens
segne dich,
deine Gedanken und dein Tun,
dass dir gelingen möge,
was du dir vorgenommen hast,
und behüte dich
vor falschen Schritten,
dass du zur rechten Zeit
sagen und tun kannst,
was richtig für dich ist.
Gott lasse sein Angesicht
leuchten über dir
und erhelle dir Zeiten
innerer Unsicherheit,
damit du Klarheit gewinnst
über das, was du wirklich willst,
und sei dir gnädig,
indem sich auch deine Irrtümer
zum Guten hin verwandeln lassen.
Gott erhebe sein Angesicht auf dich
und begabe dich mit Mut und Phantasie,
allen Enttäuschungen zum Trotz
wieder Neues zu wagen,
und gebe dir Frieden
in der Erfüllung deiner Träume
und deiner Zeit.
Christa Spilling-Nöker