(Teresa, s.u.; 1 Kor 3, 16.17; Joh 14, 23–26)
Liebe Schwestern und Brüder,
inspiriert zum Thema dieser Predigt, hat mich eigentlich einer meiner besten Freunde, der gerade mit Begeisterung das Buch von Teresa liest, das „Seelenburg“ heißt. Er sah darin schon vorweggenommen, was später alles unter dem Begriff der „Psychologie“ behandelt wurde und wird.
Aber eigentlich muss man sagen, dass schon die frühen Wüstenmütter und ‑väter (3./4. Jhd.) so etwas wie „Psychologen“ waren, weil sie die fernen und oft auch unbekannten Welten der eigenen Seele durchschritten und erforschten.
Wenn man sich den Luxus leisten kann, über den Sinn und das Glück des Lebens nachdenken zu dürfen, dann kommt man nicht umhin, über seine Seele nachzudenken. Mit „Seele“ ist freilich nicht etwas gemeint, was in uns steckt. Mit Seele ist unsere Innendimension gemeint, eine Welt, die spannend, abenteuerlich, beängstigend und lebensverändernd sein kann und sollte. Wenn man eine gewisse Selbstfürsorge für seine Seele pflegen will – und das sollte so selbstverständlich sein, wie das oft üblicherweise tägliche Duschen ‑dann kommt man nicht umhin, ein bisschen Ruhe und Stille zu suchen. Die größte Versuchung auf dem Weg, dies zu tun, ist die Angst vor dem, was da so aufsteigen könnte. Das ist nicht ganz unberechtigt, weil man dann auch die Nöte und das Rufen einer verletzten und so oft vernachlässigten Seele hört.
Teresa beschreibt ja die Seele wie eine Burg mit vielen Zimmern, die man durchschreiten muss, um in das Innerste der Burg zu gelangen. Aber die Angst lässt eben viele gar nicht erst die Burg betreten, die ja kein Gefängnis, sondern ein kostbarer Palast ist. Warum, das haben uns die heutigen Texte ans Herz gelegt und auch der von Teresa in ihrem schönen Gedicht, in dem Gott selber zur Seele spricht.
Während viele Gott außerhalb der Burg suchen und dort Felder geistlicher Übungen und des bloßen Einhaltens dogmatischer und moralischer Pflanzen bestellen, hört man sozusagen den sehnsuchtsvollen Ruf des Liebesgeheimnisses im eigenen Innern nicht. Wenn Gott wirklich das allerletzte und tiefste Geheimnis des Lebens und des Universums ist, dann ist es doch beinahe unglaublich, dass es uns sozusagen näher ist, als wir es uns oft selber sind. Wir selbst sind ein heiliger Raum, ein Tempel, eine Kirche, ein Tabernakel, eine Quelle, die uns mit Frieden, Ruhe und Liebe erfüllen will. Wir tragen sozusagen den Himmel in uns, der uns auch eine innere Freiheit schenken will von allem, was uns gefangen nehmen will, von all den „du sollst“, „du musst“, „das erwarten wir“, „das macht man so“ etc. Sie rauben uns den Frieden und die innere Ruhe und sie kommen fast immer mit den Fesseln der Angst daher.
Ach, könnten wir doch das liebevolle Rufen Gottes in uns hören! Könnten wir doch daraus leben und achtsam sein für den Palast unserer Seele und der anderen Seelen.
Das wichtigste Erkennungszeichen dafür, dass wir das Geheimnis der Liebe in der Mitte unserer Seelenburg umarmt haben, ist die Liebe, die aus unserem tiefsten Innern sprudelt und nichts und niemanden ausschließt. Möge diese Erfahrung Teresas auch mehr und mehr zu unserer werden, mit Gottes Hilfe und Geist. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)
Lesung aus den Schriften der hl. Teresa von Ávila
Gott spricht:
O Seele, suche dich in mir,
und Seele, suche mich in dir.
Die Liebe hat in meinem Wesen
dich abgebildet treu und klar;
kein Maler lässt so wunderbar,
o Seele, deine Züge lesen.
Hat doch die Liebe dich erkoren
als meines Herzens schönste Zier:
bist du verirrt, bist du verloren,
o Seele, suche dich in mir.
In meines Herzens Tiefe trage
ich dein Porträt, so echt gemalt;
sähst du, wie es vor Leben strahlt,
verstummte jede bange Frage.
Und wenn dein Sehnen mich nicht findet,
dann such nicht dort und such nicht hier:
gedenk, was dich im Tiefsten bindet,
und, Seele, suche mich in dir.
Du bist mein Haus und meine Bleibe,
bist meine Heimat für und für;
ich klopfe stets an deine Tür,
dass dich kein Trachten von mir treibe.
Und meinst du, ich sei fern von hier,
dann ruf mich, und du wirst erfassen,
dass ich dich keinen Schritt verlassen:
und, Seele, suche mich in dir.
(Gedichte, 4, S. 339, in: Gesammelte Werke Band 3, Herder 2004)