(Joel 3, 1+2; Apg 2, 1–11; Joh 20, 19–23)
Liebe Schwestern und Brüder,
wie wir in der 1. Lesung aus dem Buch Jóel gehört haben, gab es die Hoffnung auf den Empfang des Gottesgeistes schon im 1. Testament, nicht nur bei Jóel, sondern z.B. auch bei Ezechiel und auch in den Psalmen. Es ist mir ein Rätsel, warum es die ganze Osterzeit, und auch heute nicht, offiziell keine einzige Lesung aus dem 1. Testament gab und gibt. Sonst ist es immer üblich, dass in der 1. Lesung ein Text aus dem 1. Testament genommen wird. Das habe ich heute auch getan. Denn Jóel war nicht vorgesehen. Bestimmt gibt es auch die Gabe der Ehrlichkeit, sich selbst gegenüber, aber auch anderen gegenüber. Unsere Kirchen haben diese Gabe nötig, und zwar in vielerlei Hinsicht, liturgisch, pastoral, dogmatisch, strukturell.
In der Apostelgeschichte heißt es heute, dass „alle“ zusammen am selben Ort waren. Damit sind nicht etwa nur die sog. „Apostel“ gemeint, sondern eben alle, Frauen und Männer des Anfangs. Im Evangelium wird gesagt, dass die Jünger Furcht hatten und bei verschlossenen Türen beisammen waren. Furcht und Verschlossenheit sind keine guten Lebenseinstellungen, weder heute, noch damals. Das ist ein Geist, der krank macht, der trennt, der Lieblosigkeit für normal erklärt, in Gedanken, Worten und Werken. Und die Jünger, die Juden waren, hatten wohl nicht so sehr Furcht vor „den Juden“, wie es pauschalisierend im Johannesevangelium oft heißt, sondern eher vor Jesus, den sie in seinen schwersten Stunden leider alleine gelassen hatten, die Frauen übrigens nicht. Und dann kommt dieser Jesus als Auferstandener durch ihre Verschlossenheit und Furcht hindurch, ohne ein Wort des Vorwurfes und ohne moralischen Zeigefinger. Das ist befreiend, erlösend, und macht sie verständlicherweise froh. Können dann die Jünger mit einer solchen Erfahrung noch irgendjemandem Vergebung verweigern? Geistempfang ist hier Vergebung und Barmherzigkeit und nicht die Ermächtigung, Vergebung zu verweigern und auf Fehler, Scheitern und Schuld festzulegen, weil es eigenen dogmatischen und moralischen Standards nicht entspricht. Darum ist Pfingsten immer auch eine praktische Kehrtwende zu einem Gottesgeist, der Leben schenkt und immer wieder neu ermöglicht. Kann sein, dass manche vor diesem Geist einfach nur Furcht haben.
Wir dürfen also hoffen, dass auch heute der Geist Gottes mit Brausen und heftigem Sturm Vorurteile, Festgefahrenes und allzu Gewohntes hinwegfegt, in den Kirchen und Religionen oder wo auch immer. In jedem Fall bringt Gottes Geist viele Menschen in ihren Verschiedenheiten, Traditionen und Lebensweisen zusammen. Sprache wird zur verbindenden Herzenssprache und nicht zu Fake News, die Spaltung säen und die Wahrheit verdrehen.
Anstatt sich über verschiedene Glaubensansichten in den Religionen und Konfessionen zu streiten und zu bekriegen, sollten alle „Gottes große Taten verkünden“, die in allen Religionen im Kern Liebe und Barmherzigkeit bedeuten.
Pfingsten geht es auch um Geschwisterlichkeit aller Menschen und Geschöpfe. Pfingsten macht Gott uns Hoffnung, dass Geistwendungen möglich sind. Bitten wir Gott, dass wir aus dieser Hoffnung leben und Leben miteinander gestalten. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)
Lichtritus am Pfingstsonntag
Einführung
Mit dem heutigen Tag endet die Osterzeit. Am Feuer der Osterkerze, die wir feierlich in der Osternacht am Osterfeuer entzündet haben, wollen wir um sieben Gaben des Heiligen Geistes bitten. Für jede Gabe entzünden wir eine Kerze vom Feuer der Osterkerze.
Mögen diese sieben Gaben des Heiligen Geistes in uns und in unserem Leben leuchten. Mögen sie uns verwandeln in Menschen, die sich stets vom Geiste Gottes leiten und entzünden lassen.
Die erste Kerze steht für die Gabe des Glaubens, eines Vertrauens, das immer stärker sei als alle Angst.
Die zweite Kerze steht für die Gabe der Hoffnung, damit jene biblische Hoffnung in uns lebendig sei, die wider alle Hoffnung hofft.
Die dritte Kerze steht für die Gabe der Liebe, die um ihrer selbst willen und ohne warum? liebt und Gottes Gegenwart am deutlichsten zum Leuchten bringt.
Die vierte Kerze steht für die Gabe der Dankbarkeit, weil sie fast alles im Leben als Geschenk wahrnimmt.
Die fünfte Kerze steht für die Gabe der Demut, damit wir die Freiheit haben, ganz Mensch zu sein und zu werden.
Die sechste Kerze steht für die Gabe der Achtsamkeit, damit wir erkennen, wie sehr sich alle Geschöpfe nach liebender Umarmung sehnen, uns selbst eingeschlossen.
Die siebente Kerze steht für die Gabe der Gottsuche, damit wir das heilige Geheimnis Gottes in Wort und Tat heilig halten und es nicht mit unseren Gedanken und Gefühlen verwechseln.
Um diese Gaben bitten wir dich heute im Vertrauen auf das Versprechen, das uns unser Herr und Bruder Jesus Christus gegeben hat. Amen.
(P. Thomas Röhr OCD, Karmel Birkenwerder, St. Teresa, 30.05. 2017)