(Gen 2, 7–9; 3, 1–7; Röm 5, 12–19; Mt 4, 1–11)
Liebe Schwestern und Brüder,
mit „Wüste“ verbinden die meisten von uns nicht unbedingt etwas Positives. Oft denkt man da nur an Sand, Hitze und Durst. Dabei sind die meisten Wüsten Gesteinswüsten und frieren kann man da auch genug. Viele sprechen von Wüste, wenn sie Krisenzeiten beschreiben wollen, was nicht ganz falsch ist. Denn das Wort „Krise“ leitet sich vom Griechischen „krisis“ her und bedeutet „Entscheidung“. Es stimmt also, dass Wüste in eine Krise führen kann und uns zum Nachdenken, also zur Umkehr, bringt.
Ich selbst habe Wüste im Sinai als einen schönen und lebendigen Ort erlebt, als einen Ort der Nähe Gottes, der tatsächlich heilsame Prozesse in Gang setzt, die durchaus schmerzlich sind. Aber das ist ja im Bezug auf Heilungen und Gesundung nicht selten.
Interessant im heutigen Evangelium ist, dass der Geist Jesus in die Wüste führt, um ihm eine Krise zuzumuten. Krisen sind also nicht notwendigerweise etwas Schlechtes und zu vermeiden, sondern können auch geistgewirkt sein.
Was immer die Gestalt des Teufels bedeuten mag, so scheint es, dass der Geist es ist, der Jesus zu einer Grundsatzentscheidung führen will. Natürlich sind wir Menschen durch Gottes Liebe alle Töchter und Söhne Gottes. Das macht doch die Würde aller Menschen zutiefst aus. Aus verschiedensten und sehr komplexen Gründen neigen wir leider zum Größenwahn und missverstehen diese Größe und Würde als eine selbst herzustellende Leistung. Der Teufel, der sogar mit Schriftbeweisen argumentiert, möchte genau diesen zerstörerischen Irrtum verfestigen und zu einer Haltung verführen, die vor allem sich selbst groß und wichtig macht, auch wenn das auf Kosten anderer und selbst Gottes geht.
Wir wissen, was dieser Größenwahn und dieses kranke Selbstbild an Unheil und Leid anrichten kann. Jesus wird uns durch seine Krise verstehen, vor allem aber ermutigt er uns, der Versuchung zu widerstehen, die sogar religiös begründet werden kann.
Jesus ermutigt uns, Mensch zu bleiben und zu werden, und uns eben nicht götterhaft über andere zu erheben. Ja, es gibt nur einen Gott, der uns Vater und Mutter ist. Er schenkt uns in seiner Liebe eine Würde und Größe, die sich keiner selbst geben und nehmen kann. Er garantiert, dass wir dadurch einander Geschwister bleiben und Geschwisterlichkeit eine Grundhaltung wird, die weltweit und auch für unsere Mitgeschöpfe und Mutter Erde gilt.
Nicht immer wird es uns gelingen, der Versuchung wie Jesus zu widerstehen, nur an unserer eigenen Größe und Wichtigkeit zu basteln, auch wenn das auf Kosten anderer geschieht. Aber in Jesus haben wir einen Bruder, der uns versteht und uns mit Gottes Hilfe und Geist in diesen Krisen reifen lässt zu Menschen des Vertrauens, der Hoffnung und der Liebe. Das ist ja auch der tiefste und letzte Sinn von Fastenzeit. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)