(Gen 9, 8–15; 1 Petr 3, 18–22; Mk 1, 12–15)
Liebe Schwestern und Brüder,
es beeindruckt mich immer wieder, dass derselbe Geist, der eben noch bei der Taufe Jesu in Gestalt einer Taube auf Jesus herabkam, ihn sofort in die Wüste treibt, um ihn dort, wie es heißt, vom Satan in Versuchung führen zu lassen. Beim Evangelisten Markus wird das kurz und knapp geschildert, im Gegensatz zu Matthäus und Lukas.
Freilich fragt man sich, warum Jesus erst einmal in die Wüste muss. Viele verbinden, obwohl sie nie in einer realen Wüste waren, sehr unterschiedliche Vorstellungen davon. Wenn nicht gerade Touristen mit Quads, Motorrädern und Autos durch die Wüste rasen, sehr zum Leidwesen vieler Wüstenbewohner, dann ist Wüste tatsächlich vor allem ein Ort der Stille, ein Ort, der uns all‘ jene Fluchtmöglichkeiten raubt, von denen wir gewöhnlich Gebrauch machen, wenn wir vor allem auf der Flucht vor uns selber und unseren inneren Stimmen sind.
Gewöhnlich ist unsere Welt das Gegenteil von Wüste. Sie ist laut, hektisch, gehetzt, Tiefgang verhindernd. Viele Menschen sind zudem Analphabeten, was das Buch ihres Innern betrifft. Es sind jene, die hier Lieder der Liebe singen können und dort Hass und Hetze anderen um die Ohren hauen, ohne scheinbar zu merken, dass dies in keiner Weise zusammenpasst. Vielleicht wären manche etwas vorsichtiger mit dem, was sie tun und reden, wenn ihnen bewusst wäre, dass dies vor allem etwas über sie selber aussagt.
Aber noch einmal: warum treibt der Geist Jesus in die Wüste? Antwort: weil Jesus ein Mensch war und unbedingt seinen Halt in Gott finden musste. Er wusste um die Versuchung, sich selbst zur Mitte und zum Nabel der Welt zu machen, gerade auch, wenn man so viele Bewunderer und Nachfolger hat. Jesus musste spüren, wie schnell man dazu bereit ist, in seiner eigenen Sehnsucht, gesehen und wertgeschätzt zu werden. Darum kämpft in der Versuchungsgeschichte des Markus Jesus nicht gegen etwas, sondern nimmt diese Erfahrung und Versuchung an, wenn es am Ende heißt, dass er bei den wilden Tieren lebte. Dass ihm die Engel dienten, beschreibt, wie sehr ihm die Annahme all‘ dessen gelungen ist, was man sonst so gerne verdrängt. Da kann dann wirklich ein Stück Himmel in uns sein, eine Oase, die Frieden und Freiheit in einem selber bedeuten.
Darum trieb der Geist Jesus in die Wüste, damit Jesus lernt, frei zu sein für seine Berufung, stark genug, um sich lieber in Gott und seiner Liebe, als in der Bewunderung und Begeisterung der Menschen zu verlieren.
Man denkt ja gerne Jesus als „Sohn Gottes“ wie Gott als unveränderlich und über allem erhaben. Aber auch das ist eine Versuchung, auf die Jesus nicht hereingefallen ist. Er war ein „Menschensohn“, ein Bruder in allem, was unser Menschsein ausmacht. Und so will er immer an unserer Seite sein, um uns in unserer eigenen Menschwerdung zu begleiten, zu verstehen und zu beschützen.
Dafür sei ihm im Hinblick auf seine eigenen Wüstenerfahrungen heute von Herzen gedankt. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)