14. Sonn­tag im Jah­res­kreis A (09.07.2023)

(Sach 9, 9–10; Röm 8, 9.11–13; Mt 11, 25–30)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
ich er­in­ne­re mich an mei­ne Stu­di­en­zeit in Er­furt zwi­schen 1978 und 1983. Da gab es ein Fest, wo al­le ost­deut­schen Bi­schö­fe an­we­send wa­ren. Nach dem Got­tes­dienst stan­den ih­re Dienst­wa­gen und Fah­rer in Reih und Glied auf dem Dom­platz. Es wa­ren aus­schließ­lich „West­wa­gen“, meis­tens ein Mer­ce­des. Auf die Fra­ge, war­um es denn ein sol­ches Au­to sein muss, hieß es im­mer, dass es vor al­lem aus Re­prä­sen­ta­ti­ons­grün­den sei. Schließ­lich kann man ja nicht bei staat­li­chen Stel­len mit ei­nem Tra­bant oder Wart­burg vor­fah­ren. Das hört sich tat­säch­lich schlüs­sig an, von der bes­se­ren Be­quem­lich­keit mal ganz ab­ge­se­hen.
Der Pro­phet Sachár­ja träum­te in der 1. Le­sung da­von, dass man nicht auf ein be­son­de­res Pferd set­zen und auf ihm sit­zen muss, zu­mal es in der An­ti­ke auch ei­ne Chif­fre für das Mi­li­tär war. Auf ei­nem Esel sit­zen be­deu­te­te: Be­schei­den­heit, Ent­mi­li­ta­ri­sie­rung und das Ab­schwö­ren jeg­li­cher Form von Ge­walt, Miss­brauch und Aus­beu­tung. Wer heu­te mit ei­nem Klein­wa­gen oder gar Fahr­rad vor­fah­ren wür­de, macht sich ver­mut­lich zum Esel.
Wie dem auch sei: die Le­sung ver­weist na­tür­lich auch auf den gü­ti­gen und de­mü­ti­gen Je­sus im Evan­ge­li­um. Er be­saß ja be­kannt­lich die Frei­heit, sich nicht um Kon­ven­tio­nen zu sche­ren und mit be­wun­derns­wer­ter Kon­se­quenz sei­ne Geis­tes­hal­tung zu le­ben. Die war kaum kom­pa­ti­bel mit der üb­li­chen Re­li­gio­si­tät , die mehr auf Ei­gen­leis­tung setz­te, denn auf die un­ver­dien­te Lie­be. Auf das völ­lig un­ver­dien­te Ge­schenk die­ser Lie­be setz­ten frei­lich vor al­lem die, die durch die Ras­ter der of­fi­zi­el­len Re­li­gi­on hin­durch­ge­fal­len wa­ren, weil ih­re Le­bens­um­stän­de sie aus­schlos­sen oder sie nicht in der La­ge wa­ren, den re­li­giö­sen Leis­tungs­sport mit­zu­tra­gen. Sie wa­ren al­so nicht wirk­lich re­li­gi­ons­mün­dig.
Aber nicht nur das, auch die Sor­gen und Nö­te des Le­bens drück­ten vie­len auf ih­re See­len, nicht an­ders als heu­te. Nun sagt Je­sus zu die­sen, dass sie bei ihm Ru­he fin­den könn­ten für ih­re See­len, weil sein Joch sanft und sei­ne Last leicht wä­ren. Aber was meint er da­mit? Mir scheint, das ist ein­fach sei­ne er­war­tungs­freie Lie­be, die kom­plett gra­tis ge­schenkt ist, auch wenn das den klu­gen und wei­sen, re­li­giö­sen Leis­tungs­sport­lern gar nicht ge­fällt.
Was sagt Je­sus? „Lernt von mir; denn ich bin gü­tig und von Her­zen de­mü­tig!“ (Mt 11, 29) Nein, die­ser Je­sus und sein Got­tes­geist be­drü­cken nicht, un­ter­drü­cken nicht, er­drü­cken nicht. Er drückt je­den an sein Herz, der sich kei­ne ho­hen Rös­ser leis­ten kann, der sei­ne Be­dürf­tig­keit, exis­ten­zi­el­le Ver­letz­lich­keit und Zer­brech­lich­keit zu­ge­ben kann und wor­in je­der Mensch, wirk­lich je­der!, dem an­de­ren dar­in zur Schwes­ter bzw. zum Bru­der wer­den kann, wenn er es denn wirk­lich zu­las­sen wür­de. Das an­zu­er­ken­nen  und zu le­ben, ist wahr­haf­tig heil­sa­me De­mut und hat die Macht, die Welt fried­li­cher, ge­walt­frei­er und lie­be­vol­ler zu ma­chen.
Ich wün­sche vie­len von uns, dass wir den Mut ha­ben, uns in die­sem Sin­ne und Geis­te wirk­lich auf Je­sus ein­zu­las­sen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)