16. Sonn­tag im Jah­res­kreis A (23.07.2023)

(Weish 12, 13.16–19; Röm 8, 26–27; Mt 13, 24–43)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
ich bin froh, dass im Kar­mel die Ge­bets­zei­ten grund­sätz­lich zweck­los sind. Es geht nicht dar­um, in Ek­sta­se zu ge­ra­ten, nicht dar­um, Gott schö­ne Ver­se auf­zu­sa­gen, nicht dar­um, zur Ru­he zu kom­men, Frie­den zu fin­den oder ei­nen tol­len Ge­dan­ken. Es geht auch nicht um die Län­ge der Ge­bets­zeit. Es geht ein­fach dar­um, da zu sein und sich von der ver­bor­ge­nen Ge­gen­wart Got­tes um­ar­men zu las­sen. Manch­mal den­ke ich, dass Ge­bet ge­nau­so un­aus­sprech­lich ist wie je­ne Seuf­zer, von de­nen der hei­li­ge Pau­lus heu­te an die Rö­mer und uns im Be­zug auf das Be­ten des Hei­li­gen Geis­tes in uns spricht.
Manch­mal las­se ich auch ger­ne an­de­re für mich be­ten, nicht in dem Sin­ne, dass an­de­re für mich tun sol­len, was ich sel­ber höchst­per­sön­lich tun muss, nein, so mei­ne ich das nicht. Aber wie oft ha­be ich im Früh­ling den Ge­sang der Am­sel oder an­de­rer Sing­vö­gel zu mei­nem Ge­bet ge­macht. Denn schö­ner kann ich mei­ne Ge­be­te nicht zu Gott hin sin­gen! Es gibt auch Mu­sik, die so schön ist, dass ich mich ger­ne die­sem Ge­bet an­schlie­ße und mich von ihr gen Him­mel tra­gen las­se. Sehr ger­ne be­te ich auch mit mei­ner Gi­tar­re. Sie drückt auch so wun­der­bar aus, was ich gar nicht in Wor­te fas­sen kann.
Auch das Ge­räusch, das der Wind macht, wenn er sanft durch die Bäu­me streicht oder das Meer, wie es ans Ufer singt, ist ein wun­der­schö­nes Ge­bet, dem ich mich ger­ne über­las­se. Be­son­ders in der Wüs­te Si­nai, in der ich mehr­mals sein durf­te, war es ein­fach das Hö­ren auf die Stil­le, das mir wie ein un­aus­sprech­li­ches, heil­sa­mes Ge­bet er­schien, auf das ich mich set­zen und wie auf ei­nem flie­gen­den Tep­pich fried­voll tra­gen las­sen konn­te.
Es gibt so vie­le Ge­be­te, die man sich zu ei­gen ma­chen darf, oh­ne auch nur ein ein­zi­ges Wort zu sa­gen. Manch­mal ent­weicht dann ein­fach nur ein „Dan­ke“ aus dem tiefs­ten Her­zen für all‘ die wun­der­schö­nen Ge­be­te, die uns da ge­schenkt wer­den. Und wer weiß, ob da nicht schon das un­aus­sprech­li­che Seuf­zen des Geis­tes ist, von dem Pau­lus im Brief an die Rö­mer und uns spricht.
Viel­leicht könn­te es ge­ra­de in der Ur­laubs­zeit ei­ne schö­ne Übung sein, zu schau­en und hin­zu­hö­ren, wel­chen Ge­be­ten wir uns ein­fach an­schlie­ßen dür­fen.
Das Him­mel­reich, so hö­ren wir im Evan­ge­li­um, wächst ja auch al­lei­ne, oh­ne dass wir da nach­hel­fen müs­sen.
Und in der 1. Le­sung aus dem Buch der Weis­heit hieß es, dass Gott für al­les Sor­ge trägt (Weish 12,13). So wird er auch je­ne Ge­bets­form für uns fin­den, die ge­nau für uns gut und heil­sam ist, oh­ne dass das ein Kraft­akt sein muss.
Es mö­ge al­so zweck­los sein, un­ser Be­ten, da­mit es wirk­lich Gott meint und nicht nur uns sel­ber. Der is­la­mi­sche Mys­ti­ker Rumi soll ein­mal ge­sagt ha­ben, dass er ger­ne den Him­mel und die Höl­le ab­schaf­fen wür­de, da­mit Gott wirk­lich um sei­net­wil­len ge­sucht und ge­liebt wür­de. Denn je­de Lie­be muss letzt­end­lich zweck­los sein, wenn sie heil­sam sein soll, auch für Gott.
So hat eben ver­mut­lich das Be­ten ganz viel mit Lie­be zu tun, die ja auch ein­fach schwei­gend da sein kann.
Ich wün­sche je­dem sei­ne ganz ei­ge­ne Art zu be­ten und mit Gott zu sein. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)