(Gen 18, 20–32; Kol 2, 12–14; Lk 11, 1–13)
Liebe Schwestern und Brüder,
seit diesem Jahr schickt das Weltraumteleskop James Webb aus 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde spektakuläre Bilder aus den Tiefen des Universums. Man hofft, bis 13 Milliarden Jahre, also bis fast zum sog. „Urknall“, zurückschauen zu können. Unvorstellbar sind die geradezu unendlichen Weiten unseres Universums.
So faszinierend diese Erkenntnisse sind, so sehr stellt sich für mich auch die Frage, wie ich angesichts dieser Fakten Gott als liebenden Vater, als liebende Mutter, denken kann. Vor 2000 Jahren noch war das vermutlich kein Problem. Die Erde erschien wie eine große Platte, über die der Himmel wie eine Käseglocke stand. So weit weg war also der Himmel nicht – und Gott auch nicht. Wer auf einen Berg stieg, war dem Himmel noch ein Stück näher. Und irgendwie fühlen wir, trotz besseren Wissens, noch heute so.
Keiner von uns kann sich auch nur annähernd den Makro- wie den Mikrokosmos vorstellen. Und eigentlich halten wir uns im Grunde in jeder Hinsicht zu Unrecht für Wissende.
Ich schaue mir also die faszinierenden Bilder des Webb-Teleskopes an und erschrecke zugleich über das Mysterium dessen, was da ist, auch über die scheinbare Unmöglichkeit, Gott darin zu denken. Ob nun Gott als Freund, als liebender Vater oder liebende Mutter – es scheint, dass wir damit die schier unfassbare Weite des Universums einfach ausblenden. Wie hätte denn uns Jesus angesichts dieses Wissens beten gelehrt? Vermutlich genauso. Natürlich sind alle Bilder von Gott Bilder. Und irgendwie brauchen wir sie, um uns ein bisschen zu orientieren. Wir brauchen vor allem, auch im zwischenmenschlichen Bereich, die Erfahrung, unbedingt geliebt und gewollt zu sein. Diese Sehnsucht bestärkt Jesus in seinem Beten und dem, was er uns lehren will. Es geht nicht um bestimmte Worte, es geht nicht um Verstehen und Wissen, so wichtig und notwendig das auch sein mag. Es geht schon gar nicht um ein dogmatisches Denken, das keine Fragen und Zweifel mehr zulässt und sie gar als Sünden in Beichtspiegeln aufnimmt. Das macht gerne die Angst, wenn ihr eingebildete Gewissheiten wegbrechen und so sicher Geglaubtes plötzlich nicht mehr so sicher ist. Wir müssen auch in der Kirche wieder das offene Denken lernen und nicht so tun, als ginge es lediglich um ewige Wahrheiten. Geliebte Menschen, Freunde, sog. „Gerechte“, die menschlich bleiben in einer scheinbar so oft unmenschlichen Welt, Eltern und Großeltern, die ihre Liebe den Kindern und Enkelkindern gegenüber nicht aufgeben, auch wenn sie auf die sog. „schiefe Bahn“ geraten……. Sie alle erzählen mehr vom Mysterium „Gott“ als alle klugen Traktate und Predigten über ihn.
Was bleibt, ist vielleicht immer dieselbe Frage: was soll die Grundhaltung unseres Lebens sein, damit dieses ein einigermaßen gelungenes und erfülltes ist? Es ist die Frage nach Angst oder Vertrauen. In jedem Fall sollte die Antwort Vertrauen sein, egal, woraus es sich nährt. Dieses nicht mehr begründbare Vertrauen möge uns immer wieder neu geschenkt sein. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)