17. Sonn­tag im Jah­res­kreis C (24.07.2022)

(Gen 18, 20–32; Kol 2, 12–14; Lk 11, 1–13)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
seit die­sem Jahr schickt das Welt­raum­te­le­skop Ja­mes Webb aus 1,5 Mil­lio­nen Ki­lo­me­ter Ent­fer­nung von der Er­de spek­ta­ku­lä­re Bil­der aus den Tie­fen des Uni­ver­sums. Man hofft, bis 13 Mil­li­ar­den Jah­re, al­so bis fast zum sog. „Ur­knall“, zu­rück­schau­en zu kön­nen. Un­vor­stell­bar sind die ge­ra­de­zu un­end­li­chen Wei­ten un­se­res Uni­ver­sums.
So fas­zi­nie­rend die­se Er­kennt­nis­se sind, so sehr stellt sich für mich auch die Fra­ge, wie ich an­ge­sichts die­ser Fak­ten Gott als lie­ben­den Va­ter, als lie­ben­de Mut­ter, den­ken kann. Vor 2000 Jah­ren noch war das ver­mut­lich kein Pro­blem. Die Er­de er­schien wie ei­ne gro­ße Plat­te, über die der Him­mel wie ei­ne Kä­se­glo­cke stand. So weit weg war al­so der Him­mel nicht – und Gott auch nicht. Wer auf ei­nen Berg stieg, war dem Him­mel noch ein Stück nä­her. Und ir­gend­wie füh­len wir, trotz bes­se­ren Wis­sens, noch heu­te so.
Kei­ner von uns kann sich auch nur an­nä­hernd den Ma­kro- wie den Mi­kro­kos­mos vor­stel­len. Und ei­gent­lich hal­ten wir uns im Grun­de in je­der Hin­sicht zu Un­recht für Wis­sen­de.
Ich schaue mir al­so die fas­zi­nie­ren­den Bil­der des Webb-Te­le­sko­pes an und er­schre­cke zu­gleich über das Mys­te­ri­um des­sen, was da ist, auch über die schein­ba­re Un­mög­lich­keit, Gott dar­in zu den­ken. Ob nun Gott als Freund, als lie­ben­der Va­ter oder lie­ben­de Mut­ter – es scheint, dass wir da­mit die schier un­fass­ba­re Wei­te des Uni­ver­sums ein­fach aus­blen­den. Wie hät­te denn uns Je­sus an­ge­sichts die­ses Wis­sens be­ten ge­lehrt? Ver­mut­lich ge­nau­so. Na­tür­lich sind al­le Bil­der von Gott Bil­der. Und ir­gend­wie brau­chen wir sie, um uns ein biss­chen zu ori­en­tie­ren. Wir brau­chen vor al­lem, auch im zwi­schen­mensch­li­chen Be­reich, die Er­fah­rung, un­be­dingt ge­liebt und ge­wollt zu sein. Die­se Sehn­sucht be­stärkt Je­sus in sei­nem Be­ten und dem, was er uns leh­ren will. Es geht nicht um be­stimm­te Wor­te, es geht nicht um Ver­ste­hen und Wis­sen, so wich­tig und not­wen­dig das auch sein mag. Es geht schon gar nicht um ein dog­ma­ti­sches Den­ken, das kei­ne Fra­gen und Zwei­fel mehr zu­lässt und sie gar als Sün­den in Beicht­spie­geln auf­nimmt. Das macht ger­ne die Angst, wenn ihr ein­ge­bil­de­te Ge­wiss­hei­ten weg­bre­chen und so si­cher Ge­glaub­tes plötz­lich nicht mehr so si­cher ist. Wir müs­sen auch in der Kir­che wie­der das of­fe­ne Den­ken ler­nen und nicht so tun, als gin­ge es le­dig­lich um ewi­ge Wahr­hei­ten. Ge­lieb­te Men­schen, Freun­de, sog. „Ge­rech­te“, die mensch­lich blei­ben in ei­ner schein­bar so oft un­mensch­li­chen Welt, El­tern und Groß­el­tern, die ih­re Lie­be den Kin­dern und En­kel­kin­dern ge­gen­über nicht auf­ge­ben, auch wenn sie auf die sog. „schie­fe Bahn“ ge­ra­ten……. Sie al­le er­zäh­len mehr vom Mys­te­ri­um „Gott“ als al­le klu­gen Trak­ta­te und Pre­dig­ten über ihn.
Was bleibt, ist viel­leicht im­mer die­sel­be Fra­ge: was soll die Grund­hal­tung un­se­res Le­bens sein, da­mit die­ses ein ei­ni­ger­ma­ßen ge­lun­ge­nes und er­füll­tes ist? Es ist die Fra­ge nach Angst oder Ver­trau­en. In je­dem Fall soll­te die Ant­wort Ver­trau­en sein, egal, wor­aus es sich nährt. Die­ses nicht mehr be­gründ­ba­re Ver­trau­en mö­ge uns im­mer wie­der neu ge­schenkt sein. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)