(Weish 18, 6–9; Hebr 11, 1–2.8–19; Lk 12, 32–48)
Liebe Schwestern und Brüder,
ein bisschen ratlos lassen mich die heutigen, biblischen Lesungen schon zurück. Wenn ich versuche, ein Anliegen in ihnen zu sehen, dann scheint es mir, als wäre es angesichts kriselnder Zeiten die Aufforderung, den Glauben zu bewahren. Das ist natürlich ein Anliegen aller Zeiten, wobei die doch recht unterschiedlich beantwortete Frage jene ist, was mit „Glauben“ eigentlich gemeint ist?! Das Buch der Weisheit erinnert an vergangene Zeiten, an jene identitätsstiftende Erfahrung der Israeliten von Befreiung aus Unterdrückung und Not, wie es im Buch Exodus festgehalten ist. Menschen haben Befreiungserfahrungen immer wieder als Geschenk gedeutet. Wir selber erleben solch‘ überraschende Wendungen zum Positiven doch auch als Geschenk, als ein Wunder, für das wir einfach nur dankbar sind. Wenn man älter wird und die Fragen des begrenzten Lebens immer aufdringlicher werden, dann ist schon jeder neu geschenkte Morgen ein dankbar angenommenes Wunder.
Natürlich soll diese Hoffnung bestärkt werden, dass sich auch in unserem Leben immer wieder Wunder der Befreiung ereignen werden. Es passiert ja auch. Es passiert ja auch nicht! Wie viele Menschen haben schon gehofft und kein Wunder ist passiert! Klar, dann will man wenigstens eine himmlische Hoffnung, einen Himmel für alle, denen ein menschliches und erfülltes Leben auf Erden verwehrt blieb. Der Glaube, um den es also heute geht, ist nicht festgeschrieben in dicken Büchern, ist nicht festzuhalten in klaren Dogmen. Nein, dieser Glaube muss immer wieder neu als eine Haltung des offenen Vertrauens gewagt und manchmal auch erlitten werden, selbst dann noch, wenn, menschlich gesehen, gar keine Hoffnung mehr besteht, wie bei Abraham und Sara, die noch Eltern werden sollten, obwohl das eigentlich nicht mehr möglich war. Es geht also um jene Art von „Glauben“, die letztlich nicht mehr „einsichtig“ und plausibel ist, die tatsächlich wagt, ohne Garantien, ohne Sicherheit, ohne die Erwartung, dass auch eintritt, was verheißen wurde, zu glauben.
Dieser Glaube ist alles andere als leicht. Er ist selber nochmal ein Wunder, das man dankbar entgegennimmt. Dieser Glaube ist geradezu eine „himmlische Heimat“, wenn irdische Heimat verloren geht, innerlich wie äußerlich.
Dass einem bei dieser Art des Glaubens auch die Luft ausgehen kann, zeigt das Evangelium, das auch nicht gerade zimperlich ist, was die sog. „Knechte“ angeht, also jene, die Verantwortung für andere tragen. Das sind freilich nicht nur die Amtsträger, sondern wir alle, weil niemand von uns beziehungslos lebt. Der Glaube im Evangelium wird zur Sorge und Liebe für andere. Wo der Glaube nicht zur Liebe wird, mag zwar beeindruckende Rechtgläubigkeit sein, aber biblischer Glaube ist da nicht.
Der Herr im Evangelium weist den liebelosen Menschen einen Platz bei den Ungläubigen zu. Das sind also jene, die die Liebe verloren haben und nicht die, die keinen oder einen anderen Gott oder ein anderes Fundament für ihr Leben bekennen.
So wollen wir unsere leeren Herzen und Hände öffnen, damit uns Gott jenen Glauben hineinlegen kann, den er sich ersehnt, der uns wirklich trägt, der uns froh macht, ermutigt und der in einer liebenden Haltung sichtbar wird. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)