(Gen 12, 1–4a; 2 Tim 1,8b-10; Mt 17, 1–9)
Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt eine sehr schöne Bildkarte aus der „Wiener Genesis“ mit dem Titel „Verheißung an Abraham“, da steht Abram, wie er da noch heißt, wie angewurzelt da und eine himmlische Hand zeigt weg von einem Haus, deren Tür sicherheitshalber noch ein wenig offensteht. Der schmale, grüne Weg wird immer schmaler. Wo er hinführt, das sieht man nicht.
Ich meine, es gibt Menschen, die brechen immer wieder gerne auf, andere eher nicht. Viele hängen an dem, was man Heimat nennt, für andere gilt das wiederum nicht. Abram ist alt, da setzt man sich eigentlich zur Ruhe. Und auf dem Bild sieht es nicht so aus, als hätte er große Lust, aufzubrechen. Er sieht eher ängstlich aus. Dadurch aber wirkt er sympathisch, menschlich, und nicht wie der große Glaubensheld, als den ihn die abrahamitischen Religionen gerne glauben. Klar ist er auch ein Held, weil er am Ende tatsächlich losgezogen ist. Aber er blieb ein Mensch und sozusagen auch ein Bruder in der Mühe, immer wieder, äußerlich, wie innerlich, aufzubrechen.
Dieses Bild und auch unser Text heute verschweigt freilich, was uns kaum bewusst bzw. in Erinnerung ist. Denn schon sein Vater Terach brach aus Ur in Chaldäa Richtung Kanaan auf, blieb aber in Haran hängen (Gen 11, 27–32). Was wir ebenso nicht im Bewusstsein haben, ist die Tatsache, dass weder sein Vater, noch Abram selber, beziehungs- noch mittellos aufgebrochen sind. Keiner von uns muss alleine unterwegs sein, auch wenn es manchmal so ist bzw. sich so anfühlt.
Im Grunde sagt uns doch die Geschichte mit Abram, dass das Leben immer wieder ein Aufbrechen ist, von dem niemand weiß, wie die Zukunft wirklich aussehen wird. Lediglich die bunte, himmlische Hand und der blaue Sternenhimmel auf dem Bild der „Wiener Genesis“ deuten an, dass unsere privaten wie gemeinsamen Aufbrüche gesegnete sind.
Dabei muss keiner so tun, als fielen Aufbrüche leicht, das Zurücklassen von Vertrautem und Geliebten. Keiner muss so tun, als wäre mit Glauben alles kinderleicht und nicht erwachsenschwer. So etwas behaupten ja meistens Leute, die alles andere als bereit sind, innerlich wie äußerlich aufzubrechen. Aber Auf-bruch im wahrsten Sinne des Wortes will aufbrechen, was nicht mehr lebt oder gar lebensfeindlich geworden ist. Den Anstoß dazu gibt uns oft das Leben oder eben Gott selber.
Der letzte Aufbruch wird das Sterben sein. Wohin der geht, will uns die Geschichte von der Verklärung zeigen. Es ist eine Ostergeschichte, die zurückleuchtet in die Alltagsgeschichten und Aufbruchsgeschichten des irdischen Lebens. Sie ermutigt uns, daran zu glauben, dass der grüne, also hoffnungsgepflasterte, zwar irdisch immer schmaler wird, aber am Ende in pralles, lichtdurchflutetes Leben führt.
In dieser Hoffnung sollten wir einander bestärken. Wir sollten uns auch mehr einander segnen in unseren Aufbrüchen, allein oder gemeinsam, als wir es gewöhnlich tun, ob es nun gerade Fastenzeit ist oder nicht. Aber auch das ist tiefster Sinn von Fastenzeit: brich auf, innerlich, äußerlich oder beides, mit und durch Gottes Segen.
Wie heißt es am Ende der Lesung lapidar? „Da ging Abram, wie der Herr ihm gesagt hatte.“ (V4a)
Das wünsche ich uns, wo, wann und wie immer wir aufbrechen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)