( 1 Kön 19, 8b-13; Röm 8, 31b-34; Mk 9, 2–10)
Liebe Schwestern und Brüder,
manchmal ist es so, dass die Bedeutsamkeit von Menschen erst nach ihrem Tod erkannt wird. Das ging vermutlich Jesus nicht anders. Erst nach seiner Auferstehung wurde endgültig klar, wie sehr er sozusagen eine Ikone, ein Bild Gottes war. Eigentlich verdient jeder Mensch, jedes Geschöpf, schon vor seinem Tod wie ein Wunder des Lebens wahrgenommen und behandelt zu werden. Es könnte durchaus ein sinnvoller Fastenvorsatz sein, sich darum zu bemühen, einander mit mehr Wertschätzung und Liebe zu begegnen, sei es einem Kind, einem alten Menschen oder wem auch immer gegenüber. Das könnte vor allem für jene ein Fastenvorsatz sein, die in Verantwortung für andere Menschen stehen. Und das sind wir eigentlich irgendwie alle. Denn wir alle leben in Beziehungen, die immer wertschätzender Aufmerksamkeit bedürfen.
Gerade darin möchte sich das Geheimnis Gottes als nahe erweisen, wie es ja Mose beim brennenden Dornbusch in der Wüste erfahren hat. Der „Ich bin da“ soll nicht nur eine zu glaubende Behauptung sein, sondern eine befreiende und tröstliche Erfahrung. Dafür steht neben Elija Mose, die beide bei der Verklärung Jesu eine deutende Rolle spielen.
So wie Mose im Namen Gottes zum Befreier aus Unterdrückung und unmenschlichen Verhältnissen wurde, so war es bei Jesus und so soll es bei jedem von uns sein. Wir Menschen von heute sind ja auch oft Gefangene von Umständen, die nicht gerade gesund sind. Hinzu kommen Fesseln von Angst, Unsicherheiten, verbalen und tatsächlichen Abwertungen, sind wir eingesperrt in Vorurteilen, Tabus und dem, was man von uns ständig erwartet. Auch in der Fastenzeit kann es vor allem um mehr Freiheit, innere zumal, und lebenswerteres Leben gehen.
Und Elija? Er war am Berg Karmel nicht zimperlich und ließ im Namen Gottes 450 Baalspriester hinrichten. Das riecht heute nach intolerantem Fanatismus, der auch nicht gerade für eine friedlichere Welt und ein wertschätzendes Miteinander steht.
Elija musste lernen, dass dies nicht die Methoden Gottes sind und dass Gott sich nie zur Rechtfertigung von Gewalt in seinem Namen missbrauchen lässt. Am Ende erfährt Elija am Gottesberg Horeb, dass Gott im leisen, sanften Säuseln ist, also in einer Zärtlichkeit, mit der Gott Menschen angst- und gewaltfrei berühren und anrühren möchte.
Darum reden Mose und Elija mit Jesus als Geschwister Jesu im Geist. Diese Geisteshaltung lässt sich nicht in Hütten und Gotteshäusern einsperren und besitzen, sie will gelebt werden. Wenn wir Vorbilder dafür suchen, dann verweist die göttliche Stimme aus der Wolke zurecht auf Jesus. Wer auf dessen Geist hört und ihn in den Niederungen des Alltags zu leben versucht, der ist für Gott geliebter Sohn, geliebte Tochter.
Schauen wir also nicht zuerst auf die rechte Lehre, nicht auf die richtige Religion, sondern auf Jesus, der uns mehr Freiheit und Zärtlichkeit im Glauben, Hoffen und Lieben schenken möchte. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)