(Gen 22, 1–19; Röm 8, 31b-34; Mk 9, 2–10)
Liebe Schwestern und Brüder,
man mag es drehen und wenden, wie man will, die Geschichte der Erprobung Abrahams hinterlässt in meinem Herzen keinen guten Geschmack. Es mag ja sein, dass am Ende gesagt sein soll, dass Gott keine Kinderopfer will, dass Gott den Glauben und Gehorsam Abrahams testen wollte. Aber ich frage mich, ob Gott solche Methoden anwenden darf und sie nötig hat. Ich frage mich auch, warum Abraham sich nicht gegen ein solches Ansinnen Gottes von vornherein gewehrt hat? Natürlich weiß ich, dass das keine historische Geschichte ist und dass man die Aussageabsicht des Textes beachten muss. Aber so, wie die Geschichte da in der Bibel steht, ist sie geradezu eine Zumutung. Mir ist auch klar, dass ich kein Recht habe, über diese Geschichte die Nase zu rümpfen, da doch gerade Kinder auch in unserer Welt Opfer von Kriegen, von Missbrauch jeglicher Art, von Hunger und gewaltsamen Auseinandersetzungen Erwachsener werden. Über das stille Sterben so vieler Kinder in unserer Welt hält sich die allgemeine Entrüstung doch ziemlich in Grenzen. Und dass ich durch mein Konsumverhalten eine Mitverantwortung für das Wohl und Wehe von Kindern in ärmeren Ländern habe, das mag ich gar nicht so gerne zur Kenntnis nehmen.
Mütter und Väter können ein Lied davon singen, wie schwer es sein kann, Kinder in das eigenverantwortliche Leben herzugeben, los- und freizulassen. Also beschreibt diese Geschichte von Abrahams Probe doch durchaus Erfahrungen, die uns wahrlich nicht fremd sind. Vielleicht empfinden wir ja auch so manche Dinge im Leben wie eine Zumutung, die uns an Gottes Liebe und Wohlwollen zweifeln lassen. Vielleicht „wusste“ Abraham insgeheim ja, dass Gott so etwas niemals im Ernst verlangen wird und vertraute eben zutiefst, obwohl die Fakten dagegen sprachen. Abraham ist wirklich der „Vater des Vertrauens“, das wir so oft mehr ersehnen als haben, eines Vertrauens, das ohne Versicherung auskommt.
Aber, so könnten wir weiter fragen, warum hat Gott dann ein solches Opfer von seinem Sohn verlangt? Hat er das? Jedenfalls steht das so nirgendwo im Zweiten Testament. Der Tod Jesu hat mit Abrahams Geschichte eigentlich wenig zu tun. Warum? Weil Gott Jesus nicht opfert, sondern Jesus seine und die Liebe seines Vaters bis zum Äußersten festhalten und bezeugen wollte. Das Kreuz ist kein Opfer, sondern das Zeugnis einer verrückten Liebe, die entschiedener und wahrer nicht sein kann. Dieses Zeugnis verlangt Gott nur von sich selbst. Aber es gibt Menschen, die es auch bis zur letzten Konsequenz gegeben haben und geben. Und das sind nicht zuerst die Märtyrer des Glaubens, sondern die Helden alltäglich gelebter Liebe.
Mose und Elija stehen in der der sog. „Verklärungsgeschichte“ für diese liebevolle Gotteserfahrung. Mose steht eben nicht zuerst für das Gesetz, sondern für die Gotteserfahrung des brennenden Dornbusches, in der Gott als der „Ich bin da“ offenbar wurde. Und Elija steht eben nicht zuerst für die Propheten, die angeblich das Gesetz eingeschärft haben, sondern auch für eine wundervolle Gotteserfahrung. Elija bezeugt nämlich am Berg Horeb, dass Gottes „Ich bin da“ eine zarte, sanfte und leise gegenwärtige Liebe ist. Das alles verdichtet sich in Jesus. Darum legt uns die „Stimme aus der Wolke“ immer wieder neu ans Herz: „Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören!“ (Mk 9, 7)
Das wollen wir tun, nicht nur um unseretwillen, sondern auch um Gottes willen. Denn er sehnt sich nach unserem Vertrauen, unserer Liebe, vor allem da, wo uns das Leben manchmal schwer ankommt und so schmerzlich unbegreiflich erscheint. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)