2. Sonn­tag der Os­ter­zeit (16.04.2023)

(Jes 25, 6a.7–9; 1 Petr 1, 3–9; Joh 20, 19–31)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
im Evan­ge­li­um des 2. Sonn­ta­ges der Os­ter­zeit be­geg­net uns Jahr für Jahr die schö­ne Os­ter­ge­schich­te mit Tho­mas und Je­sus. Es ist mir ein Rät­sel, wie­so man dem Apos­tel Tho­mas das Wort „un­gläu­big“ bei­gefügt hat. Er war doch nicht gläu­bi­ger oder un­gläu­bi­ger als die an­de­ren! Oder hat ir­gend­ei­ner von selbst zum Os­ter­glau­ben ge­fun­den? Ich kann da­zu nichts in den Os­ter­ge­schich­ten fin­den. Im­mer wird be­rich­tet, dass der Auf­er­stan­de­ne selbst kommt und Mü­he hat, die Sei­nen von sei­ner Auf­er­we­ckung zu über­zeu­gen.
Es ist al­so leicht zu be­haup­ten, dass Je­sus lebt, wenn die­ser Je­sus selbst die Flam­me des Glau­bens neu ent­zün­det hat.
Für Tho­mas ist klar, dass der Auf­er­weck­te nur Je­sus sein kann, wenn er den Iden­ti­täts­aus­weis sei­ner Wun­den vor­wei­sen kann. Die­se Wun­den er­zäh­len nicht nur die Lie­bes­ge­schich­te Je­su und sei­nes Va­ters, son­dern auch ei­ne Ge­schich­te, die je­der von den Apos­teln und Jün­gern mit­ge­schrie­ben hat. Denn da wa­ren ja schließ­lich ne­ben wort­rei­chen Be­kennt­nis­sen zu Je­sus auch ei­ne treu­lo­se Flucht, Ver­rat und Ver­leug­nung. Da war man ent­täuscht über sich selbst, weil den gro­ßen Wor­ten klei­ne oder gar kei­ne Ta­ten folg­ten, wo­für Pe­trus bei­spiel­haft für die Apos­tel steht. Wer will schon dar­an er­in­nert wer­den, ge­schwei­ge denn es noch ein­mal an­schau­en?
Bei al­lem Os­ter­ju­bel und al­ler Os­ter­be­geis­te­rung woll­te Tho­mas das nicht ab­kop­peln von ei­ner leid­vol­len Ge­schich­te da­vor. Er ist der Ein­zi­ge, der Wun­den an­se­hen will und Je­sus aus­drück­lich als Ver­wun­de­ten und Ver­letz­ten an­schau­en darf. Die Wun­den Je­su wer­den für Tho­mas zum Er­weis des­sen, dass die­ser Auf­er­weck­te kei­ne Ein­bil­dung, kein Geist, son­dern wirk­lich sein Ge­lieb­ter ist.
Für Je­sus frei­lich sind die­se Wun­den vor al­lem ein Er­weis sei­ner Lie­be bis zum Äu­ßers­ten. Denn trotz und in al­ler Ver­letzt­heit sagt er im­mer noch: ich lie­be dich. Das ist doch ge­nau je­ne Lie­be, die Men­schen sich in der Tie­fe ih­rer ei­ge­nen ver­letz­ten Her­zen er­seh­nen und die sie sel­ten er­brin­gen kön­nen. Ge­nau die­se Lie­be leuch­tet aus den ver­klär­ten Wun­den Je­su, die Tho­mas be­rüh­ren darf und am En­de viel­leicht gar nicht mehr be­rüh­ren muss. Tho­mas ist der Zeu­ge da­für, dass der Auf­er­weck­te wirk­lich der ir­disch ge­lieb­te Je­sus ist. Was ist al­so hier „un­gläu­big“?
Tho­mas zeigt uns auch, dass es um Er­fah­rung geht und al­le Wun­den, al­les Ver­letzt­sein im Him­mel nicht ein­fach weg­ra­diert, son­dern ge­heilt und zu „Or­ten“ der Got­tes­be­geg­nung wer­den.
Ja, es gibt Zei­ten, da se­hen wir nichts mehr, da er­fah­ren wir nichts mehr. Ja, dann ist tat­säch­lich „se­lig“, wer den­noch ver­trau­en darf.
Mö­ge uns die­ses ös­ter­li­che Ver­trau­en im­mer wie­der neu ge­schenkt sein. Mö­ge uns der Apos­tel Tho­mas ein Bru­der in al­lem sein, wo wir den Mut ha­ben, zu fra­gen, zu zwei­feln, Wun­den an­zu­schau­en, in ih­nen ihm zu be­geg­nen und sie von dem Auf­er­weck­ten hei­len zu las­sen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)

Text: Je­hu­da Ami­chaì / Mu­sik: P. Tho­mas Röhr OCD

Aber durch die Wun­de in mei­ner Brust sieht Gott in die Welt.
Ich bin die Tür sei­ner Wohnung.