2. Sonn­tag im Jah­res­kreis A (15.01.2023)

(Jes 49, 3.5–6; 1 Kor 1, 1–3; Joh 1, 29–34)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
die Tau­fe Je­su vom ver­gan­ge­nen Sonn­tag klingt im heu­ti­gen Evan­ge­li­um ir­gend­wie noch nach. Der Satz, den Jo­han­nes sagt, als er Je­sus auf sich zu­kom­men sieht, hat Ein­gang ge­fun­den in die Eu­cha­ris­tie­fei­er kurz vor dem Kom­mu­nion­emp­fang: „Seht das Lamm Got­tes, das die Sün­de der Welt hin­weg­nimmt!“ (V 29). Wenn ich über die­sen Satz nach­den­ke, dann spü­re ich, wie weit weg er vom Emp­fin­den heu­ti­ger Men­schen ent­fernt ist. War­um muss Je­sus ein „Lamm“ sein? War­um muss er „die Sün­de der Welt“ hin­weg­neh­men und was ist das über­haupt? Ich fra­ge mich, ob das das Grund­an­lie­gen Je­su war? Und ist die­ser theo­lo­gi­sche Satz noch zeit­ge­mäß, auch wenn er bi­blisch ist?
Ver­ges­sen wir zu­nächst nicht, dass das Chris­ten­tum sei­nen Ur­sprung im Ju­den­tum hat. In fast al­len Re­li­gio­nen wur­den zu­meist Tie­re ge­op­fert, um Göt­ter gnä­dig zu stim­men und ir­gend­wie die Sün­den der Men­schen zu til­gen. Ganz in die­sem Den­ken steht der sog. „Sün­den­bock“, auf den man sym­bo­lisch die Sün­den der Ge­mein­schaft leg­te und ihn dann in die Wüs­te jag­te, wo er jäm­mer­lich um­kam. Doch hat die­ses Den­ken noch et­was mit Je­sus zu tun? Jü­di­sche Oh­ren konn­ten das Schick­sal Je­su dar­in ge­deu­tet se­hen. Uns ist die­ses Den­ken dann doch ziem­lich fremd, auch wenn wir heu­te durch­aus auch von „Sün­den­bö­cken“ spre­chen kön­nen, zu de­nen Men­schen ge­macht wer­den.
In der Tat ver­kün­de­te und leb­te Je­sus ei­nen an­de­ren Geist. Sein Gott war nicht mehr ein von den Sün­den der Men­schen be­lei­dig­ter Gott, der Süh­ne da­für ver­lang­te. Viel­leicht ist Gott ein von al­len For­men der Lieb­lo­sig­keit ver­letz­ter Gott. Aber Je­sus hat ihn eben nicht als be­lei­dig­ten und nach Süh­ne dürs­ten­den Gott ver­kün­det und er­fahr­bar ge­macht, son­dern er hat ihn Ab­ba, Pa­pa, ge­nannt, der sich nach Lie­be und Ver­trau­en sehnt. Auch, wenn Je­sus mit die­ser Bot­schaft am Kreuz ge­schei­tert ist, weil man of­fen­sicht­lich mit ei­nem lie­be­vol­len Gott nichts an­fan­gen kann, so än­dert das Kreuz nicht sei­ne le­bens­lan­ge Hal­tung, son­dern sie wird im Ge­gen­teil mit Os­tern als für al­le Ewig­keit be­stä­tigt.
Es ist schon ein gro­ßer Un­ter­schied, ob ei­ner mit Was­ser oder mit dem Hei­li­gen Geist tauft. Ri­tua­le, auch Tauf­ri­tua­le, sind wich­tig für ei­ne Glau­bens­ge­mein­schaft. Aber am En­de kommt es nicht auf Ri­tua­le, nicht auf ei­ne be­son­de­re, re­li­giö­se Pra­xis, nicht ein­mal auf Kon­fes­sio­nen und Re­li­gio­nen an. Am En­de zählt ein­zig und al­lein der neue Geist Je­su. Und was war und ist dar­an neu? Neu ist sein ra­di­kal lie­be­vol­les Got­tes­bild, auch wenn es sich am Kreuz in Qua­len auf­zu­lö­sen scheint. Neu ist zu­dem, dass die Lie­be, der Lie­bes­geist, der schöns­te und tiefs­te Got­tes­dienst ist, den Gott sich er­sehnt. „Nur die Lie­be zählt“, so sa­hen es vie­le Got­tes­mys­ti­ker, wie auch die The­re­se von Li­sieux.
Aber ehr­lich­wei­se muss man sa­gen, dass es so neu nun auch wie­der nicht war. Denn Je­sus war als Ju­de mit der Schrift des 1. Tes­ta­men­tes ver­traut. Er hat so­zu­sa­gen den ro­ten Fa­den er­spürt und frei­ge­legt, der so oft in al­len Re­li­gio­nen vor­han­den ist, die aber das Ge­heim­nis der Lie­be Got­tes oft nur ver­dun­keln und es für Ei­gen­zwe­cke miss­brau­chen.
Wo der Hei­li­ge Geist der Lie­be auf­leuch­tet, da sind Men­schen mit dem Hei­li­gen Geist ge­tauft und ge­hö­ren zu ei­ner „Kir­che“, die mehr ist als al­le sicht­ba­ren Kir­chen zu­sam­men­ge­nom­men. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)